Die Grippe überrollt die Schweiz. Die Zahl der Patienten ist in den meisten Landesteilen deutlich gestiegen. Die Krankheit kommt plötzlich. Man fröstelt, hat Schweissausbrüche, alles tut weh und man fühlt sich mies. In der Apotheke gibts Grippemittel wie Pretuval C und Neocitran, die man als heisses Getränk einnimmt. Sie sollen Schnupfen, Kopfweh, Fieber und Gliederschmerzen lindern. Die Mittel sind beliebt: 2 bis 2,5 Millionen Packungen gehen jährlich über den Ladentisch, so die Zahlen des Herstellerverbands Interpharma.
Fachleute raten von diesen Medikamenten ab. Wolfgang Becker- Brüser von der Fachzeitschrift «Arznei-Telegramm» sagt: «Das sind Schrotschusskombinationen.» Die Mittel enthalten bis zu vier Wirkstoffe (siehe PDF).
Einer davon ist Paracetamol. Als Einzelwirkstoff ist er zwar relativ unbedenklich. Doch: «Kombinationen mit diesem Wirkstoff halte ich für riskant», sagt Becker-Brüser. Denn Patienten würden gegen Schmerzen oft zusätzlich Paracetamol nehmen. Und schon bei wenig mehr als 4 g pro Tag drohen Schäden an der Leber. Eine Portion enthält im Normalfall 0,5 g Paracetamol. Gefährlich wirds vor allem, wenn man dazu Alkohol trinkt. Brisant: Im Vicks Medinait-Sirup hats Paracetamol und Alkohol.
Je mehr Wirkstoffe ein Grippemittel enthält, desto grösser ist das Risiko für Nebenwirkungen. Viele davon sind unnötig, z. B. Vitamin C. Becker-Brüser:«Es beeinflusst Dauer und Schwere der Krankheit nicht.» Das haben Studien gezeigt.
Präparate wie Fluimucil Night, Neocitran oder Vicks Medinait enthalten zudem Wirkstoffe gegen Allergien. Das nützt Grippepatienten wenig. Zwar sollen die Stoffe den Schnupfen bremsen. Doch dafür fehlen Belege. In erster Linie machen Allergie-Wirkstoffe sehr müde. Für Autofahrer ist das riskant.
Problematisch sind auch Ephedrin, Pseudoephedrin oder Phenylephrin, die in fast allen Grippemitteln stecken: Sie verengen die Blutgefässe. Dadurch schwillt die Nasenschleimhaut etwas ab. Allerdings kann der Blutdruck steigen. Deshalb gilt: Wer zu hohen Blutdruck hat, sollte auf solche Medikamente verzichten.
Ist die Nase verstopft, verwendet man besser einige Tage Nasentropfen. Laut Fachleuten wirken sie schneller als Kombipräparate.
Zusätzlich nimmt man nach Bedarf ein Schmerzmittel wie Aspirin, Dafalgan oder Algifor. Sie senken auch das Fieber. Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser sagt dazu: «Man sollte sie nur nehmen, wenn man wegen der Beschwerden nicht schlafen kann.» Fieber braucht man nicht zu senken: «Es ist eine Abwehrmassnahme des Körpers und hilft, die Viren zu bekämpfen.» Bei hohem Fieber helfen Wadenwickel mit Essig. Zudem sollte man viel trinken, z. B. Lindenblüten- und Holundertee. Auch Bouillon tut gut, weil der Körper beim Schwitzen Salz verliert.
Hersteller verweisen darauf, dass die Arzneimittelbehörde ihre Produkte als sicher und wirksam beurteilt habe. Die Firma Zambon sagt, Fluimucil berge keine besonderen Risiken, wenn man es korrekt einnehme. Galenica erklärt, dass die künstlichen Süssstoffe in Demogripal C «als sicher eingestuft» würden. Vitamin C unterstütze die Abwehrkräfte. Darauf verweist auch Glaxo Smith Kline. Die Kombination mehrerer Wirkstoffe sei «eine symptomgerechte Therapie». Ihre Medikamente Panadol Antigrippine und Neocitran hätten sich seit Jahren bewährt. Und der Allergiewirkstoff sei «sekretionshemmend». Darauf verweist auch Procter & Gamble. Es sei «praktisch und logisch», die verschiedenen Beschwerden mit einem Kombipräparat wie Vicks Medinait zu lindern. Dies sei kein erhöhtes Sicherheitsrisiko gegenüber Paracetamol allein. Der Hustenwirkstoff würde auch von Fachgesellschaften empfohlen. Der Anteil an Konservierungsmittel und Alkohol sei gering und stelle kein Risiko dar.