Es ist der 31. Mai, ein Dienstagabend. Gut gelaunt tritt Robert Betz auf die Bühne des Zürcher Volkshauses. «Heute Abend geht es um dein Leben», ruft er dem Publikum zu. Rund 400 Frauen und Männer sitzen im Saal. Alle könnten «entspannt und freudig» leben, wenn sie seine Anleitung befolgten, sagt Betz. Dann könne man Migräne, Rückenbeschwerden und andere Krankheiten heilen.
Die Ursache für alle Krankheiten und seelischen Probleme sieht Robert Betz in vergangenen Erlebnissen. Heilung verspricht die von ihm entwickelte «Transformationstherapie». Sogenannte «Rückführungen» in die Kindheit gehören zu dieser Therapie. Ähnlich wie bei der Hypnose versetzen die Therapeuten ihre Klienten dabei in einen Trancezustand.
Drei Stunden lang spricht Betz, er tigert auf der Bühne umher, reisst sein Publikum immer wieder mit lustigen Sprüchen zu Lachsalven hin. Auf einer Vortragsreise durch die Schweiz trat Betz Anfang Juni auch in Jona SG, Luzern und Landquart GR auf.
Neues Leben dank «Engeln und Erzengeln»
Robert Betz gehört zu den erfolgreichsten Heilern. Sein Buch «Willst du normal sein oder glücklich?» stand letztes Jahr auf Platz vier der meistverkauften Selbsthilfebücher bei der Buchhandelskette Orell Füssli Thalia. Betz behauptet, Krankheiten seien «hausgemacht»: Wer an Krebs, Rheuma, Depressionen, Demenz oder multipler Sklerose leidet, habe seine Krankheit «unbewusst selbst erschaffen».
Brustkrebs ist für Betz die Quittung dafür, dass «die meisten Frauen weder das Frau-Sein noch ihren Körper lieben» würden. Man müsse nur Verantwortung übernehmen für sein Leben und sich selbst vergeben, dann könne man zu einem «neuen Menschen» werden – mit Unterstützung von «Engeln und Erzengeln». Robert Betz bildet auch «Transformationstherapeuten» aus, die nach seiner Methode arbeiten.
«Seelische Ursachen für Krebs nicht nachweisbar»
Fachleute gehen auf Distanz zur «Transformationstherapie». Die Psychologin Judith Barben aus Baden AG sagt, die Idee, alle Patienten hätten ihre Krankheiten selbst verursacht, könne «verheerend» sein: «Dann haben die Betroffenen das Gefühl, sie seien selbst schuld an ihren Beschwerden oder Schmerzen.»
Die Solothurner Psychologin Yvik Adler, Co-Präsidentin des Berufsverbands FSP, sagt, Liebe und ein gutes Selbstwertgefühl seien zwar wichtig für die seelische und körperliche Gesundheit. Bei vielen Krankheiten seien aber schädliche Umwelteinflüsse oder genetische Veranlagungen die Ursache. Doch Robert Betz blende diese Tatsachen aus. Der Krebsspezialist Thomas Cerny vom Kantonsspital St. Gallen sagt: «Es gibt keine nachweisbaren seelischen Ursachen für Krebs.»
Die deutsche Beratungsstelle Sekten-Info Nordhrein-Westfalen berichtet von mehreren Klienten, die nach Rückführungen Schlafprobleme hatten, verwirrt oder traumatisiert waren. Die Psychologin Yvik Adler erklärt: «Bei solchen Rückführungen wird gezielt versucht, bei den Teilnehmern starke Emotionen auszulösen.» Viele Klienten seien aber seelisch geschwächt: «Wenn bei diesen Menschen die ausgelösten starken Gefühle nicht professionell aufgefangen werden, kann das traumatische Folgen haben und sogar psychische Erkrankungen auslösen.»
Christian Bernath, Vorstandsmitglied des Psychotherapeuten-Verbandes FMPP, kritisiert, Betz’ Therapeutenausbildung sei zu kurz: «Eine Ausbildung, die nur 24 Tage umfasst, ist nicht seriös. Es ist gefährlich, wenn Menschen danach therapeutisch tätig sein wollen.» Zum Vergleich: Wer als eidgenössisch anerkannter Psychotherapeut arbeiten will, braucht eine Ausbildung, die mindestens neun Jahre dauert.
Betz: «Schwerkranke sollen zum Arzt»
Robert Betz entgegnet in einer Stellungnahme, er habe nie gesagt, Kranke seien schuld an ihrem Leiden. Da Betroffene Krankheiten unbewusst erschaffen würden, könnten sie nicht daran schuld sein. Die «Transformationstherapie» könne Betroffenen helfen, ihren eigenen Anteil an der Entstehung einer Krankheit oder anderen negativen Ereignissen bewusst zu machen. In seinen Seminaren könnten die Teilnehmer lernen, ihre Einstellung zu verändern, damit ihr Körper gesund werden könne.
Betz sagt, er behaupte nicht, dass Krebs- oder Demenzpatienten aus eigener Kraft gesund werden könnten. Er habe nie Klienten aufgefordert, auf ärztliche Behandlung zu verzichten. Vielmehr empfehle er Menschen, die an schweren Krankheiten leiden, zu einem Arzt zu gehen.
In den 15 Jahren seiner Tätigkeit als Therapeut sei ihm kein einziger Fall bekannt geworden, bei der ein Klient bei einer Rückführung eine psychotische Krise erlebt habe.