Sechs Monate im Jahr leidet Claudia Scherrer (Name geändert) an Heuschnupfen: Die Probleme beginnen im Januar, wenn der Hasel spriesst, und enden erst nach dem Sommer, wenn die Gräser verblüht sind. Bei der 44-Jährigen aus Glattfelden ZH machen sich die Pollen auch in den Augen bemerkbar: «Es juckt unglaublich stark», sagt Scherrer. Sie weiss, dass sie dann die Augen nicht reiben darf – sonst wird es noch viel schlimmer. Fast jeder Fünfte in der Schweiz leidet an Pollenallergie, so die Zahlen vom aha! Allergiezentrum Schweiz. Bei 80 bis 90 Prozent der Patienten sind die Augen betroffen.
Apotheken bieten eine breite Auswahl an Augentropfen an. Auch Claudia Scherrer geht während der Pollensaison nie ohne solche Tropfen aus dem Haus. Sie hat schon verschiedene Mittel ausprobiert. Doch nicht alle wirken gleich gut, einige können die Augen gar zusätzlich reizen.
«Der Wirkstoff hilft innert Sekunden»
Wer schnelle Linderung braucht, sollte zu Mitteln greifen, die die allergische Reaktion hemmen. Dazu gehören Allergodil Saisonal, Emadine und Livostin (siehe Tabelle). Augenarzt Dietmar Thumm aus Luzern sagt: «Der Wirkstoff von Emadine hilft innert weniger Sekunden.» Allerdings können solche Tropfen auch die Augen reizen und austrocknen. Besonders häufig passiere das bei Livostin, so Augenarzt Thumm. Mit ein Grund: Diese Tropfen enthalten das Konservierungsmittel Benzalkoniumchlorid. Es ist auch in anderen Augentropfen vorhanden. Das Problem: Es reizt zusätzlich und kann gar die Hornhaut angreifen. Fachleute raten deshalb, Augentropfen wenn möglich in Form von Einzelportionen zu kaufen. Diese enthalten keine Konservierungsmittel.
Für Patienten, die über längere Zeit Beschwerden haben, empfehlen Fachleute Tropfen, die eine allergische Reaktion nicht nur kurzfristig hemmen, sondern gleichzeitig vorbeugen. Dazu gehören AllergoComod und Opticrom Allergo. Thumm: «Sie sind auch langfristig gut verträglich.» Allerdings muss man diese Tropfen mehrmals täglich anwenden, damit sie nützen. Am besten beginne man damit, bevor die Pollen fliegen, sagt der Augenarzt. Denn die Mittel wirken erst nach ein paar Tagen.
Experten raten, die Augen zusätzlich zu befeuchten. Allergologe Gerhard Müllner vom Kantonsspital Luzern sagt: «Bei Heuschnupfen sind die Augen oft trocken.» Dies könne auch durch Allergietabletten ausgelöst werden. Dagegen helfen sogenannte «künstliche Tränen» wie Lacrifluid oder Oculac. Als alleiniges Mittel wirken sie bei Heuschnupfen aber oft zu wenig gut. Dietmar Thumm rät, keine Tropfen mit Hyaluronsäure oder Macrogol zu verwenden, ebenso wenig Augen-Gels: «Diese bleiben länger im Auge – und damit auch die Pollen.»
Einige Mittel können Blutdruck erhöhen
Tropfen wie Triofan Heuschnupfen sollen nicht nur befeuchten, sondern gleichzeitig die Entzündung lindern. Sie enthalten den Wirkstoff Ectoin. «Wie gut er gegen Heuschnupfen hilft, ist allerdings nicht klar nachgewiesen», so Dietmar Thumm. Ein Vorteil: Solche Tropfen sind gut verträglich.
Im Gegensatz dazu verursachen gewisse Augentropfen häufig Probleme. Sie enthalten einen Wirkstoff, der die Gefässe zusammenzieht. Doch er kann auch den Blutdruck erhöhen. Zudem gewöhnt sich der Körper schnell daran und braucht dann immer mehr, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Diese ist zudem bescheiden: Die Rötung des Auges lässt zwar nach, doch auf die Allergie hat der Wirkstoff keinen Einfluss. Deshalb enthalten solche Produkte oft weitere Wirkstoffe, ob chemische – wie in Spersallerg – oder pflanzliche wie in Collypan.
Bei natürlichen Präparaten kommt vor allem die Heilpflanze Augentrost zum Einsatz, auch in homöopathischer Form. Laut Dietmar Thumm kann Augentrost Entzündungen lindern und geschwollene Augen bekämpfen. Auch homöopathische Mischungen mit anderen Pflanzenstoffen seien oft wirksam. Das bestätigt Allergologe Gerhard Müllner: «Es gibt Patienten, denen es damit recht gut geht.»
Bei starken Beschwerden oder wenn die Tropfen innert ein paar Tagen nichts nützen, sollte man zum Hausarzt oder zum Augenarzt gehen. Er kann stärkere Augentropfen verschreiben, die die Allergie bekämpfen. In seltenen Fällen sind Tropfen mit Kortison nötig. Doch diese können starke Nebenwirkungen verursachen.
Im Freien stets Sonnenbrille aufsetzen
Oft helfen schon einfache Verhaltensmassnahmen gegen die Allergie. Facharzt Gerhard Müllner empfiehlt, im Freien immer eine Sonnenbrille zu tragen und das Gesicht kurz zu waschen, wenn man ins Haus kommt.
Claudia Scherrer hat auch gute Erfahrungen mit kalten Kompressen gemacht, die sie in Wasser oder Schwarztee getaucht hat: «Kompressen tun gut und beruhigen meine Augen.»
Die Hersteller der verschiedenen Augentropfen verweisen auf die Packungsbeilage. Nebenwirkungen, die Dauer der Therapie und Vorsichtsmassnahmen seien dort aufgeführt. Novartis bestätigt die Nachteile des Konservierungsmittels bei Emadine. Eine Alternative seien Einzelportionen. Darauf verweist auch Théa Pharma bei Spersallerg. Laut Sandoz treten bei Cromo Ophta nur selten Augenreizungen auf, denn es enthalte keine Konservierungsmittel. Das schreibt auch Ursapharm zu Allergo-Comod. Laut Sanofi überwiegt der Nutzen von Opticrom Allergo. Vifor verweist auf Studien zu Ectoin. Für die Wirksamkeit von Collypan würden die pflanzlichen Wirkstoffe eine entscheidende Rolle spielen.
Similasan und Omida betonen, dass ihre Tropfen auch bei starken Beschwerden helfen. Gemäss Weleda werden ihre Tropfen als zusätzliche Behandlung eingesetzt. Laut Ebi-Pharm ist Oculoheel für leichte Entzündungen am Auge zugelassen. Bei schweren Allergien solle man zum Arzt.