Ich will meine Krankengeschichte einsehen: Muss ich dafür bezahlen?
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Gesundheitstipp 2/2000
01.02.2000
«Wegen meiner Migräne suchte ich drei Mal einen Spezialisten in seiner Privatpraxis auf. Doch bei jedem Besuch hatte ich das Gefühl, dass der Arzt mich nicht ernst nahm und nicht gründlich untersuchte. Deshalb wollte ich eine Kopie der Krankengeschichte. Dafür verlangt der Arzt 400 Franken. Darf er für ein paar Kopien ohne Röntgenbilder so viel Geld fordern?»
Nein. Sowohl der Privatarzt wie auch der Arzt in einem öffentlichen Spital sind verpflichtet, eine Krankengeschich...
«Wegen meiner Migräne suchte ich drei Mal einen Spezialisten in seiner Privatpraxis auf. Doch bei jedem Besuch hatte ich das Gefühl, dass der Arzt mich nicht ernst nahm und nicht gründlich untersuchte. Deshalb wollte ich eine Kopie der Krankengeschichte. Dafür verlangt der Arzt 400 Franken. Darf er für ein paar Kopien ohne Röntgenbilder so viel Geld fordern?»
Nein. Sowohl der Privatarzt wie auch der Arzt in einem öffentlichen Spital sind verpflichtet, eine Krankengeschichte zu führen. Darin müssen sie die Krankenvorgeschichte des Patienten, sämtliche Untersuchungen und Behandlungen dokumentieren. Auch Laborbefunde und Röntgenbilder gehören dazu. Im Spital zudem die Aufzeichnungen des Pflegepersonals.
Sie als Patient oder die von Ihnen Bevollmächtigten haben das Recht, die Krankengeschichte einzusehen. Gemäss Datenschutzgesetz haben Sie sogar Anspruch auf Kopien oder einen Ausdruck der vollständigen Krankengeschichte.
Von dieser umfassenden Auskunftspflicht darf ein Arzt nur dann abweichen, wenn überwiegende Interessen Dritter oder des Arztes selber dagegen sprechen. Das ist jedoch höchst selten der Fall. Bei Ihnen sicher nicht. Der Arzt darf die Auskunft auch dann nicht verweigern, wenn er glaubt, sie schade dem Patienten.
Wollen Sie sicher sein, dass Sie die vollständige Krankengeschichte und sämtliche Unterlagen erhalten haben, dann lassen Sie den Arzt eine Vollständigkeitserklärung unterzeichnen.
Das Datenschutzgesetz schreibt nicht nur vor, dass der Patient Anspruch auf Fotokopien hat, sondern auch, dass der Arzt diese innerhalb von 30 Tagen seit dem Gesuch kostenlos erstellen muss.
Nur in Ausnahmefällen muss sich der Patient an den Kosten beteiligen. Dann nämlich, wenn es mit einem besonderen Aufwand verbunden ist, die Auskunft zu erteilen. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn es sich um ein sehr umfangreiches Dossier handelt. Die Verordnung zum Datenschutzgesetz schreibt für die Kostenbeteiligung einen Höchstbetrag von 300 Franken vor. Der Arzt muss dem Patienten die Höhe der Kosten ausserdem zum Voraus mitteilen. Danach hat der Patient zehn Tage lang Zeit, sein Gesuch zurückzuziehen.
Da Sie den Arzt erst drei Mal aufgesucht haben, ist nicht anzunehmen, dass Ihre Krankengeschichte besonders dick ist. Der Arzt muss Ihnen die Kopien daher unentgeltlich aushändigen.
Haben Patientinnen und Patienten nicht auch das Recht, die Originalkrankengeschichte zu bekommen?
Dazu Atilay Ileri, Rechtsanwalt in Zürich und Spezialist für Ärztehaftpflichtrecht: «Der Patient hat keinen Anspruch, dass der Arzt ihm die Originalkrankengeschichte aushändigt.» Das Bundesgericht musste bis heute zu dieser Frage noch nicht Stellung nehmen.
Allerdings empfiehlt die Verbindung der Schweizer Ärzte, dem Patienten die Originalkrankengeschichte zu überlassen, wenn er einen andern Arzt aufsuchen will. Der Patient muss in diesem Fall eine entsprechende Quittung unterzeichnen.
Sollte zwischen Ihnen und Ihrem Arzt keine Einigung zustande kommen, können Sie sich entweder an den kantonalen Ärzte-Ombudsmann oder den Datenschutzbeauftragten in Bern wenden.
Iris Schultheiss