Sie liegen in Apotheken, Arztpraxen, Drogerien, Postfilialen und an Bahnhöfen auf: Gratismagazine wie «Astrea Apotheke». Laut eigenen Angaben soll die Zeitschrift «fachlich kompetent, leserfreundlich und unterhaltsam» zu Fragen rund um Gesundheit und Wohlbefinden informieren. Die Gratishefte erzielen sechsstellige Auflagen. Die Herausgeber sind meist PR-Firmen, die auch für Pharmafirmen arbeiten, und Apothekenketten wie Amavita oder Toppharm.
Hersteller nehmen Einfluss auf die redaktionellen Inhalte
Was viele Leser nicht wissen: Verkäufer von Medikamenten und Therapien nehmen gezielt Einfluss auf den Inhalt der Gratismagazine. So veröffentlichen verschiedene Zeitschriften bezahlte Produktetipps:
- Hersteller können in «Astrea Apotheke» einen Produktetipp für 2950 Franken kaufen. In der Ausgabe Januar/Februar 2024 enthält die Zeitschrift Produktetipps für das Hustenmittel Bronchipret und ein Anti-Aging-Mittel des Herstellers Louis Widmer.
- Beim Magazin «Drogistenstern» kann man für 3820 Franken Produktetipps kaufen. Dies geht aus dem Tarif für Inserenten hervor. Viele Gratiszeitschriften enthalten sogenannte Publireportagen. Das sind Beiträge, die aussehen wie redaktionelle Inhalte. In Tat und Wahrheit handelt es sich aber um bezahlte Werbung. Bei «Astrea Apotheke» kostet eine Publireportage je nach Umfang 15'000 bis 38'000 Franken, beim «Drogistenstern» 29'990 Franken. Vinzenz Wyss, Journalistikprofessor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, sieht darin einen Verstoss gegen die journalistischen Lauterkeitsregeln. Publireportagen seien zwar nicht verboten. Das sei aber kein unabhängiger Journalismus, sondern versteckte Werbung und eine Täuschung der Leserschaft. Besonders verwirrend für die Leser ist, dass die Zeitschriften unterschiedliche Bezeichnungen für Publireportagen verwenden. Beispiele:
- In der neusten Ausgabe des «Drogistensterns» hat es eine Publireportage des Pharmakonzerns GlaxoSmith-Kline unter der Bezeichnung «Sponsored Content».
- «Sprechstunde Doktor Stutz» publizierte einen Artikel über die Badewannenlifte von Idumo unter dem Titel «Idumo informiert».
- In der Verlagsbeilage «Fokus Gesundheit», die dem «Tages-Anzeiger» beiliegt, finden sich sogenannte Brand-Reports, in denen Unternehmen über ihre eigenen Produkte schreiben.
Der als «Fernseharzt» bekannte Samuel Stutz geht noch einen Schritt weiter: Er verkauft die Produkte gleich selbst, die er in seiner Zeitschrift «Sprechstunde Doktor Stutz» erwähnt. Das Angebot reicht von Müesli bis zu Schmerztherapiegeräten. Gemäss eigenen Angaben finanziert Stutz sein Heft hälftig mit Inseraten und seinem Shop. Für Dennis Bühler, Dozent für Medienethik an der Journalistenschule MAZ in Luzern, ist dieses Geschäftsmodell aus ethischer Sicht «unhaltbar»: «Wenn eine Zeitschrift systematisch Produkte vorstellt, die im eigenen Onlineshop verkauft werden, fehlt es offenkundig an journalistischer Unabhängigkeit.»
Zur Kritik der Fachleute sagen der Schweizerische Drogistenverband und die Drogeriengruppe Dromenta, der «Drogistenstern» und «Meine Gesundheit» seien nicht von den Interessen der Anzeigenkunden geleitet. Die Apotheken- und Drogerienkette Dr. Bähler Dropa AG sagt, die Produktetipps in «Dropa Balance» seien gratis. Samuel Stutz schreibt, die Formulierung «Idumo informiert» sei eine «absolut übliche» Kennzeichnung einer Publireportage.
Und die Healthcare Consulting Group hält fest, die Produktetipps würden sich farblich von den übrigen Seiten abheben. Einzig die Firma Winconcept verspricht, sie prüfe, ob sie die Produktetipps in ihrer Zeitschrift «News aus Ihrer Apotheke» künftig klarer kennzeichnen könne.
Gesundheitstipp: Redaktion nicht käuflich
Der Gesundheitstipp veröffentlicht keine gekauften Inhalte. Die Anzeigenkunden haben keine Möglichkeit, die Inhalte der journalistischen Beiträge zu beeinflussen oder Produktetipps im redaktionellen Teil zu platzieren. Die Redaktion recherchiert aktuelle Informationen über Therapien und Medikamente gemäss dem Stand der Wissenschaft – seit 30 Jahren unabhängig von Herstellern und Behörden.