Vor zwei Jahren sperrte Skyguide den Schweizer Luftraum. Mehrere Überwachungssysteme fielen aus. Wird man da als Fluglotsin nervös?
Solche Vorfälle sind eine Herausforderung. Man muss dafür sorgen, dass die Flugzeuge den Luftraum verlassen, geplante Starts stoppen und Landungen umleiten. Das bedeutet zwar Stress, aber man hat solche Situationen im Griff. Dafür wurde man trainiert. Ein Gefühl der Beunruhigung kam erst später.
Was heisst das?
Egal, wie gut ich als Fluglotsin unter Druck arbeite: Meine Entscheide treffe ich aufgrund von Daten wie Flughöhen, Routen und Wetter. Werden diese falsch angezeigt, entscheide ich auf der Basis von falschen Angaben. Mir wurde klar: Ich kann meine Arbeit noch so gut machen, auf ein technisches Problem habe ich keinen Einfluss. Das verunsicherte mich stark.
Sie vertrauten der Technik nicht?
Sagen wir es so: Mein Vertrauen war angeschlagen. Als Fluglotsin kann man ohne die Systeme nicht arbeiten. Für mich war klar: Die Ereignisse müssen schonungslos aufgearbeitet werden. Inzwischen ist meine Verunsicherung weg. Das ging aber nicht von heute auf morgen. Es war ein längerer Prozess.
Wie ging das vor sich?
Im Betrieb sprach man über das Vorgefallene, auch über Fehler bei den Abläufen. Heute weiss ich: Mehrere Massnahmen sorgen dafür, dass ein Systemausfall wie damals nicht mehr möglich ist. Entscheidend ist aber auch, wie ich mich als Fluglotsin fühle.
Wie meinen Sie das?
Man muss für diesen Job gesund sein – sonst kann man ihn nicht machen. Das heisst auch: Probleme im Privatleben müssen offen angesprochen werden.
Erlebten Sie solche Probleme?
Vor kurzem starb meine Mutter. Ich war aufgewühlt und fühlte mich unwohl. Für meinen Chef war völlig klar, dass ich nicht zur Arbeit komme – trotz Personalmangel.
Ist man sich als Fluglotsin der eigenen Verantwortung stets bewusst?
Ich könnte meine Arbeit nicht machen, wenn ich ständig im Kopf hätte, wie viele Leben von meinen Entscheiden abhängen. Das würde mich lähmen. Klar ist aber: Wenn ich auf meinem Stuhl sitze, bin ich bereit für stressige Situationen.
Gibt es auch lustige Momente?
Nein. In der Kommunikation mit den Cockpits macht man keine Witze. Es gilt, Missverständnisse zu vermeiden. Witzige Situationen gibt es trotzdem. Einmal hatte ein britischer Pilot ein sehr ernstes Problem. Trotzdem sprach er den schönsten britischen Akzent und bedankte sich nach der Landung höflich, wie das nur Engländer können. Da musste ich lachen.
Zur Person
Die Solothurnerin Marianne Iklé besuchte die Verkehrsschule in Olten SO. Danach wurde die 46-Jährige Fluglotsin bei Swisscontrol, der heutigen Flugsicherung Skyguide. An normalen Tagen überwacht sie rund 600 Flugzeuge, an Spitzentagen bis zu 800. Sie lebt in Rapperswil-Jona SG.