Esther Schneider aus Rafz ZH fühlte sich nach der Geburt ihres Sohns Oscar niedergeschlagen und traurig: «Manchmal liefen mir wegen Nichtigkeiten die Tränen hinunter.» Das war ihr völlig fremd: «Ich bin sonst ein sehr positiver Mensch», sagt die 33-Jährige. Zudem funktionierte das Stillen nicht gut. Sie musste ständig Milch abpumpen.
Die Hebamme empfahl ihr gegen die Wochenbettdepression Tropfen mit Johanniskraut und mit Lavendel. Das zeigte Wirkung: «Die Mittel halfen mir zum Glück innert kurzer Zeit», erzählt Esther Schneider.
Es ist nachgewiesen, dass Johanniskraut bei leichten und mittelschweren Depressionen hilft. Zu diesem Schluss kamen Fachleute von Medizin-transparent.at, einer Internetplattform des unabhängigen Forschernetzwerks Cochrane Collaboration.
«Risiko ist nicht bei allen Präparaten gleich hoch»
Bei Johanniskraut ist allerdings Vorsicht geboten, wenn man es mit anderen Medikamenten kombiniert. Das gilt für die gleichzeitige Einnahme der Verhütungspille, von einigen Cholesterinsenkern und Krebsmitteln. Diese Mittel wirken dann nicht mehr so gut. In der Fachzeitschrift «Pharma-Kritik» empfahlen Ärzte des Inselspitals Bern vor kurzem, während einer Chemotherapie auf Johanniskraut zu verzichten.
Reinhard Saller ist ehemaliger Direktor des Instituts für Naturheilkunde am Unispital Zürich. Er sagt: «Das Risiko ist nicht bei allen Präparaten gleich hoch.» So beeinflussen Tee und Saft aus Johanniskraut andere Medikamente nicht. Tabletten mit Johanniskraut sind laut Saller dann unproblematisch, wenn sie wenig vom Inhaltsstoff Hyperforin enthalten. Das gilt etwa für die Tabletten Rebalance und Remotiv.
Ginkgo: Heikel in Kombination mit Blutverdünnern
Auch andere Pflanzenmittel beeinflussen chemische Medikamente. Diese wirken dann entweder zu schwach oder zu stark. Zum Beispiel Ginkgo: Einige Studien wiesen darauf hin, dass Präparate die Konzentration und das Gedächtnis verbessern. Zudem setzt man Ginkgo ein, um die Durchblutung zu fördern. Grund: Die Inhaltsstoffe hemmen die Blutgerinnung. Das kann allerdings heikel sein, wenn Patienten zusätzlich andere Blutverdünner oder Entzündungshemmer nehmen. Dann steigt das Risiko für Blutungen.
Das Gleiche gilt für Präparate mit Ginseng und solchen mit dem Extrakt der Sägepalme – bei Letzteren weniger stark. Reinhard Saller rät: «Patienten, die Blutverdünner nehmen, sollten vor der Einnahme der Präparate ihren Arzt fragen.» Allenfalls müsse man die Dosis des Blutverdünners anpassen.
Fachleute empfehlen zudem, die Mittel einige Tage vor einer Operation zu stoppen, um starke Blutungen zu vermeiden. Ginseng kann auch die Blutzuckerwerte senken und so die Wirkung von Diabetesmitteln verstärken.
Sehr gering ist das Risiko laut Reinhard Saller bei Mönchspfeffer, Mariendistel und Baldrian.
Letzterer hilft oft bei Schlafproblemen. Einige Fachleute raten jedoch, Baldrian nicht mit anderen Schlaf- und Beruhigungsmitteln wie Benzodiazepinen zu kombinieren. Sonst verstärken sich deren Nebenwirkungen. Dazu gehören Schläfrigkeit am nächsten Tag oder ein erhöhtes Risiko für Stürze.
Arzt über die verwendeten Pflanzenmittel informieren
Die Autoren der «Pharma-Kritik» empfehlen Patienten, ihren Arzt zu informieren, welche Pflanzenmittel sie verwenden. Gerade bei älteren Patienten sei dies wichtig. Denn sie müssen oft eine ganze Reihe von Medikamenten gegen verschiedene Beschwerden einnehmen. Auch bei einer Krebstherapie oder vor einer Operation ist es wichtig, abzuklären, ob Pflanzenmittel die Therapie stören können. Zudem lohnt sich ein Blick in die Packungsbeilage: Dort steht oft, mit welchen Medikamenten man das Pflanzenmittel nicht oder nur zurückhaltend kombinieren sollte.
Auch die Hersteller verweisen auf ihre Beipackzettel. Die Firma A. Vogel sagt, dass die europäische Arzneimittelbehörde bei Echinaceapräparaten kein Risiko sehe. Laut Arko Diffusion ist die Wirkung von Baldrian gut nachgewiesen. Das trifft gemäss Schwabe Pharma auch für seine Präparate Tebokan und Prostagutt zu.
Biomed schreibt, bei seinem Mittel Allsan Mariendistel brauche es keine Vorsichtsmassnahmen. Laut der Firma Zeller eignet sich das Präparat Premens nur für Beschwerden vor der Mens. Präparate mit Ginseng hätten sich bei Schwäche, Müdigkeit und Konzentrationsmangel bewährt.