Es war der bisher grösste Test zum Unkrautvertilger Glyphosat in der Schweiz: Der Gesundheitstipp liess im Mai die Urinproben von 40 Frauen und Männern auf das Pestizid untersuchen: Jeder Zweite hatte das Krebsgift im Urin. Marcel Liner von der Umweltorganisation Pro Natura bezeichnete das Testresultat als «schockierend». Es zeige, dass wohl ein grosser Teil der Schweizer Bevölkerung dem Gift immer wieder ausgesetzt sei. Wahrscheinlich vor allem durch belastete Lebensmittel, vermuten Fachleute. Denn Bauern setzen Spritzmittel mit Glyphosat rund um den Globus im Ackerbau ein, zum Beispiel bei Getreide, Soja, Linsen, Reis und Raps.
Die Weltgesundheitsorganisation beurteilte Glyphosat im Frühling als «wahrscheinlich krebserregend». Sie stützt ihr Urteil auf Tierversuche und Studien mit Menschen aus der Landwirtschaft, die dem Spritzmittel ausgesetzt waren. Diese erkrankten häufiger an Lymphdrüsenkrebs. Seither streiten sich Fachleute, Behörden und Hersteller über Glyphosat.
Für Hersteller wie Monsanto und Syngenta geht es um ein Milliardengeschäft. Glyphosat sei «kein unzumutbares Risiko» für die Gesundheit, betont die Herstellervereinigung «Glyphosat Task Force».
Die Schweizer Behörden ignorierten Bedenken. Sie verschanzten sich hinter Beurteilungen der europäischen Behörden. Diese hätten bei Glyphosat «kein krebserzeugendes Risiko» festgestellt, so die offizielle Stellungnahme des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit. Bloss: Die EU stützt sich vor allem auf Studien, die industriefreundliche Autoren verfasst haben. Und über die Situation in der Schweiz weiss man fast nichts.
Nun macht die Nationalrats-Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur Druck. Sie fordert, dass der Bundesrat abklären lässt, wie viele Schweizer mit Glyphosat belastet sind und wie stark. Dafür sollen sie in einer repräsentativen Studie ihren Urin testen lassen. Der Berner SP-Nationalrat und Kommissions-Präsident Matthias Aebischer sagt: «Wir wollen wissen, wer besonders gefährdet ist.»
Auch Lebensmittel sollen die Behörden auf Glyphosat untersuchen sowie Nutztiere und deren Futter testen. Aebischer: «Die Schweiz darf nicht einfach die Hände in den Schoss legen und abwarten.» Die EU-Behörden müssen bis Mitte 2016 entscheiden, ob sie das Pestizid weiterhin zulassen.
Tipps - So verringern Sie die Belastung
- Verzichten Sie im eigenen Garten auf Unkrautvertilger.
- Kaufen Sie keine Linsen aus Kanada oder den USA. Dort setzen Produzenten sehr viel Glyphosat ein.
- Schweizer Getreide ist oft weniger belastet als solches aus der EU oder Übersee.
- Essen Sie vorwiegend Lebensmittel aus Bio-Produktion.