Rehabilitation: Herzoperation - und gleich nach Hause
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Gesundheitstipp 4/2000
31.03.2000
Lebensgewohnheiten ändern ist gesünder als lange im Spital bleiben.
Die Herz-Rehabilitationskliniken geraten unter Druck. Immer mehr Patienten trainieren sich nach einer Herzoperation in ambulanten Therapien wieder fit - mit guten Resultaten und für viel weniger Geld.
Eine Turnhalle im Berner Inselspital. Sechs Männer und eine Frau, alle zwischen 50 und 60, stehen erwartungsvoll vor ihrem Turngerät, einem Step-Aerobic-Böckli. "Wollen wir loslegen?" fragt Physi...
Lebensgewohnheiten ändern ist gesünder als lange im Spital bleiben.
Die Herz-Rehabilitationskliniken geraten unter Druck. Immer mehr Patienten trainieren sich nach einer Herzoperation in ambulanten Therapien wieder fit - mit guten Resultaten und für viel weniger Geld.
Eine Turnhalle im Berner Inselspital. Sechs Männer und eine Frau, alle zwischen 50 und 60, stehen erwartungsvoll vor ihrem Turngerät, einem Step-Aerobic-Böckli. "Wollen wir loslegen?" fragt Physiotherapeutin Denise Gurtner.
Zuerst ist die Musik eher gemütlich, doch schon bald federn einzelne Turnende so schnell auf den Böckli, als wäre das hier eine ganz normale Gymnastikgruppe. Ist es nicht: Hier haben sich Patienten versammelt, die eine Herzoperation hinter sich haben. "Gut durchatmen! Ist das Tempo zu schnell?" fragt die Therapeutin.
An der Wand hängt eine Zahlenskala. Sie geht von 7 "sehr, sehr leicht" bis 19 "sehr, sehr schwer". Als jemand "13" ruft, drosselt Denise Gurtner sofort das Tempo: Alle müssen die Herzfrequenz einhalten, die der Arzt festgelegt hat. Gegen Ende der Stunde sind die Gesichter leicht gerötet, die Stimmung ist fröhlich. Nach dem Puls- und Blutdruckmessen verabredet sich die Gruppe für übermorgen zum Wandern.
Mit dabei ist auch Peter Hauri. Vor elf Jahren erlitt der heute 55-jährige gelernte Plattenleger einen Herzinfarkt. Sein Leben hing an einem Faden. Eine fünffache Bypassoperation rettete ihn. Im letzten November musste sich Hauri neue Herzklappen einsetzen lassen.
Jetzt soll ihn das ambulante Rehabilitationsprogramm wieder fit machen. Hauri ist zufrieden: "Es ist ideal für mich: Mit dem Postauto bin ich in zehn Minuten hier." Zum Inselspital habe er einfach Vertrauen. "Nach den Operationen war ich sehr ängstlich. Ich wagte kaum noch, mich zu bewegen, und wusste nicht, was mein Körper noch erträgt." Hier lerne er nun, das verlorene Vertrauen wieder aufzubauen.
Auch für seinen Kollegen Norbert Ritz, 53 und Berufsmilitär, kam nach der Operation seiner gerissenen Hauptschlagader nur die ambulante Rehabilitation in Frage: "Ich bin schon aus beruflichen Gründen kaum zu Hause. Zumindest in dieser Erholungszeit möchte ich meine Familie geniessen."
Noch vor rund 30 Jahren hätten Peter Hauri und Norbert Ritz bis zu sechs Wochen im Spital liegen müssen. Dadurch wären sie so schwach geworden, dass sie noch mindestens vier Wochen in einer Reha-Klinik hätten verbringen müssen. Doch die Rehabilitation von Herzpatienten hat grosse Fortschritte gemacht.
Nicht schonen, sondern Lebensstil ändern
Heute sind Infarktpatienten noch wenige Tage im Spital, auch in schwereren Fällen nicht mehr als zwei Wochen. Die Ärzte wissen, dass eine strikte Änderung der Lebensgewohnheiten das Fortschreiten von Herzkranzgefäss-Krankheiten stoppen kann. Das heisst für den Patienten: nicht rauchen, gesund essen, viel Bewegung, wenig Stress.
Zu einem Herz-Rehaprogramm gehören heute:
° ein Bewegungstraining zwei bis fünf Mal pro Woche, geleitet von speziell ausgebildeten Physiotherapeutinnen;
° gemeinsames Wandern, Wassergymnastik oder Velofahren;
° Entspannungstechniken;
° Informationen über Herzkrankheiten und Risikofaktoren;
° Ernährungsberatung.
Diese ganzheitliche Therapie hat auch den Druck auf die Reha-Kliniken erhöht: Sie müssen mindestens 200 Herzpatienten pro Jahr nachweisen und Gruppenaktivitäten für drei Belastungsstufen anbieten, sonst verlieren sie die Anerkennung. In den letzten 15 Jahren verschwanden 12 Kliniken.
"Die Krankheitsbilder haben sich verschoben", sagt Hans Mokry, Leitender Arzt der Reha-Klinik Gais: "Patienten in einem stabilen Zustand entscheiden sich eher für eine ambulante Therapie, vor allem wenn sie es sich nicht leisten können, länger von zu Hause wegzubleiben."
An die Stelle der Kliniken sind in den letzten Jahren 25 ambulante -Programme getreten. Sie sind meist einem Spital angegliedert und von einem Kardiologen geleitet. Verschiedene Studien bestätigen, dass ambulante Rehabilitationsprogramme gute Langzeiteffekte bringen.
Die Ärzte am Inselspital Bern und am Kantonsspital