Es ist 11 Uhr an einem Mittwoch. Draussen peitscht ein bitterkalter Wind das Wasser auf, drinnen glühen die Gesichter entspannt im Dampf der Tamina Therme in Bad Ragaz SG.
Die Wohltat für den Körper kann sich allerdings schnell ins Gegenteil verkehren. Denn im Wasser hat es oft riskante Keime. Dies zeigt ein Test des Gesundheitstipp: Er nahm in zehn Thermalbädern in der ganzen Schweiz Wasserproben und liess sie auf verschiedene Keime und Harnstoff hin untersuchen. Die wichtigsten Resultate: In vier Bädern wurde der Toleranzwert für Legionellen überschritten – im Aquarena fun im aargauischen Schinznach-Bad, in der Tamina Therme in Bad Ragaz, im Thermalbad & Spa in Zürich und im Alpamare in Pfäffikon SZ (siehe Tabelle). Der Toleranzwert beträgt 10 Keime pro Liter Wasser in Anlagen mit Sprudelbecken oder Whirlpool-Nischen.
Legionellen: Auslöser für Lungenentzündung
In den folgenden sechs Bädern konnte das Labor keine Legionellen nachweisen: im Sole Uno in Rheinfelden AG, im Säntispark in Abtwil SG, im Bernaqua in Bern, im Brigerbad im Wallis, im Solbad & Spa in Schönbühl BE und in der Leukerbad-Therme.
Legionellen sind Bakterien, die eine schwere Lungenentzündung auslösen können, die sogenannte Legionärskrankheit. Dem Bundesamt für Gesundheit werden jährlich 190 bis 250 Fälle gemeldet. Die Krankheit kann tödlich verlaufen. Am stärksten gefährdet sind Kleinkinder, ältere Menschen und solche mit geschwächtem Immunsystem. Viele von ihnen sind regelmässige Gäste in Thermalbädern.
Whirlpools und Warmwasseranlagen sind ideale Brutstätten für Legionellen. Sie können sich bei nicht ausreichender Desinfektion des Wassers und zu wenig Spülungen der Filter vermehren. Legionellen gelangen in der Regel durch das Einatmen von zerstäubtem Wasser in den menschlichen Körper.
Duschwasser fast überall gut
In den Duschen der Thermalbäder sah es bezüglich der Legionellen etwas besser aus. Einzig das Duschwasser im Schinznacher Aquarena fun enthielt mehr Legionellen als erlaubt. In Duschen gilt allerdings auch ein viel höherer Toleranzwert als in Badebecken: 1000 Legionellen pro Liter Wasser. Er liegt deshalb höher als im Schwimmbecken, weil die Duschen ein kleineres Risiko für die Gesundheit darstellen.
Claude Ramseier vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit sagt: «Da Schwimmbecken mit Chlor desinfiziert werden, muss der Toleranzwert tiefer liegen als in Duschen.» Und Irina Nüesch, Leiterin Sektion Trink- und Badewasser des Kantons Aargau: «Im Gegensatz zu den Duschen wird das Wasser in Sprudelbädern kleinteiliger versprüht.» Deshalb könnten allfällige Legionellen einfacher in die Lungen gelangen. Die meisten Kantone und deren Bäder halten sich an die SIA-Norm 385/9 von 2011 sowie an Empfehlungen des Bundes. Laut dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit sollen die Maximalwerte in einem Gesetz verankert werden. Es soll 2016 in Kraft treten.
Unproblematisch sind die vom Labor gemessenen Werte von aeroben mesophilen Keimen. Diese Keimzahl bestimmt den allgemeinen hygienischen Zustand der Badebecken und die Qualität der Wasseraufbereitung. Der Toleranzwert liegt bei 1 Million Keime pro Liter. Gar keine dieser Keime fand das Labor im Alpamare, im Sole Uno un in der Tamina Therme.
In keinem Bad war Escherichia coli nachweisbar, ein Bakterium, das auf eine fäkale Verunreinigung hinweist. Auch Pseudomonas aeruginosa, ein Erreger von Infektionskrankheiten der Haut, der Bindehaut und des Aussenohrs, fand das Labor in keiner Probe.
Zu viel Harnstoff kann Haut und Augen reizen
Der Gesundheitstipp liess zudem den Harnstoffgehalt in den Wasserproben bestimmen. Wenn Badende Urin ablassen oder vor dem Baden nicht duschen, kann er im Badewasser ansteigen. Der Toleranzwert für Harnstoff beträgt 1 Milligramm pro Liter. Erfreulich: Bei allen Bädern war das Wasser kaum oder gar nicht belastet. Harnstoff im Wasser kann bedenklich sein, wenn er mit freiem Chlor zu Trichloraminen reagiert. Diese reizen Augen, Atemwege und Schleimhäute.
Bei der Tamina Therme heisst es zum erhöhten Legionellenwert, man halte sich an die kantonale Bäderverordnung, die vorschreibe, dass Wasser nicht mehr als 1000 Legionellen pro Liter enthalten darf. Der vom Gesundheitstipp gemessene Wert sei tiefer. Zudem verfüge die Therme über eine der modernsten Wasseraufbereitungsanlagen. Die Wasserqualität werde durch ein automatisches System permanent überprüft und zwei- bis viermal täglich eine Wasserprobe von Hand entnommen.
Die Alpamare-Betreiber sagen, dass sie sofort Massnahmen gegen die Legionellen ergriffen und dem Wasser vermehrt Chlor beigegeben hätten. Auch eine Sicherheitsdesinfektion sei eingeleitet worden. Zudem lässt das Alpamare das Wasser erneut von einem unabhängigen Labor überprüfen.
Das Unternehmen Aqua- Spa-Resorts betreibt das Zürcher Thermalbad & Spa. Es teilte dem Gesundheitstipp mit, dass die regelmässigen Messungen nie Anlass zu einer Beanstandung ergeben hätten. Deshalb sind die Verantwortlichen «überzeugt, dass die Werte grundsätzlich in Ordnung» sind.
Die Bad Schinznach AG will die Ursache der zu hohen Legionellenwerte abklären lassen. Der Kanton habe das Badewasser kürzlich geprüft und nicht beanstandet. Da die Legionellen-Problematik bekannt sei, würden regelmässig thermische Wasserbehandlungen gemacht und die Speicherbehälter gereinigt. Dennoch will Bad Schinznach eine Referenzmessung machen lassen und die Mischwasseranlage überprüfen.