Sie entspricht nicht dem Klischee einer Ruderin mit breitem, muskulösem Oberkörper: Doris Gerber ist zierlich, hat schmale Schultern und Handgelenke. Sie rudert seit 15 Jahren mehrmals pro Woche auf dem Zürichsee, oft mit ihrer Kollegin Alexandra Wucher.
«Beim Rudern erlebe ich den Wechsel der Jahreszeiten hautnah. Ich spüre zum Beispiel, wenn die Sonne wieder früher aufgeht und die Tage wärmer werden», sagt Doris Gerber über ihr Hobby. Für sie ist Rudern mehr als ein Sport. «Durch die gleichmässige Ruderbewegung werde ich innerlich ruhig.»
Kajak: Gutes Ganzkörpertraining
Rudern oder Paddeln ist nicht nur gut für die Seele, es fördert auch Ausdauer und Kraft. Und die ausgewogenen Bewegungen schonen die Gelenke. Ralph Rüdisüli Laurent, Fachleiter Kanusport vom Bundesamt für Sport, sagt: «Das ist ein ideales Fitnesstraining.» Er verglich für den Gesundheitstipp sechs Ruder- und Paddelsportarten punkto Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Verletzungsgefahr. Zudem beurteilte er, wie gut sie sind, um Stress abzubauen. Das Ergebnis: Kajak schnitt als einzige Sportart sehr gut ab. Vier bewertete der Experte mit gut. Nur genügend ist Rudern im Stehen (siehe Tabelle).
Beim Kajak bewegt sich der Fahrer mit einem Doppelpaddel vorwärts. Dazu dreht er den Oberkörper aus den Hüften heraus und taucht das Paddel abwechselnd auf beiden Seiten ins Wasser. Ralph Rüdisüli Laurent sagt: «Kajakfahren fördert die Beweglichkeit besser als andere Rudersportarten.» Gleichzeitig biete es ein umfassendes Krafttraining, da man dabei Bein-, Rumpf-, Schulter- und Armmuskeln einsetze.
Auch der Fitnessberater Fritz Bebie aus Erlenbach ZH hält Kajakfahren für ein sehr gutes Ganzkörpertraining. Anfänger sollten aber nicht einfach drauflospaddeln. «Kajak setzt eine gewisse Grundkondition voraus», sagt Bebie. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass man in der Mitte des Sees erschöpft sei und nicht mehr ans Ufer zurückkomme.
Auch die Technik müsse man zuerst richtig lernen, um Fehlbelastungen zu vermeiden. «Anfängern würde ich deshalb zu einem Kurs raten», so Bebie. Dort könne man zudem lernen, wie man sich in einer Notsituation richtig verhält. Zahlreiche Kanuclubs in der Schweiz bieten Kurse an.
Rudern: Beansprucht fast alle Muskeln
Rudern schnitt am zweitbesten ab. Ralph Rüdisüli Laurent sagt: «Rudern trainiert fast alle Muskeln – im Gegensatz zu den anderen Ruder- und Paddelsportarten auch die Beine in grossem Ausmass.» Auch für die Ausdauer sei Rudern gut. Für die Beweglichkeit bringe es aber wenig. Rüdisüli Laurent sagt: «Man bewegt sich ausschliesslich vor und zurück. Das fördert die Beweglichkeit nicht besonders.»
Die Technik beim Rudern ist zudem nicht ganz einfach. Man unterscheidet zwischen Skulls und Riemenrudern. Beim Skullen hält man in jeder Hand ein Ruder, beim Riemenrudern dagegen ein Ruder mit beiden Händen. Doris Gerber sagt: «Rudern ist sehr anspruchsvoll. Man muss an vieles gleichzeitig denken.» Am Anfang fand sie es zum Beispiel besonders schwierig, die Handgelenke im richtigen Winkel zu halten. «Schmerzhaft waren auch die Blasen an den Händen», erinnert sie sich. Die Experten raten: Anfänger sollten einen Ruderkurs machen, damit sie den Körper nicht falsch belasten.
Auch das Paddeln in einem Drachenboot oder Kanadier – im Volksmund oft Kanu genannt – erhielt eine gute Note. Im Unterschied zum Kajak benützt man dabei ein Paddel mit nur einem Blatt, ein sogenanntes Stechpaddel. Man taucht es stets auf derselben Seite des Boots ins Wasser, der Oberkörper ist dabei leicht nach vorne geneigt.
Drachenboote stammen ursprünglich aus China. In ihnen sitzen bis zu zwanzig Leute. Drachenboote und Kanadier sind beide gut für die Kraft. Der Nachteil: Man paddelt immer auf der gleichen Seite. Rüdisüli Laurent: «Das kann zur einseitigen Belastung der Muskulatur führen.» Und die Beweglichkeit fördern sie kaum, da man vorwiegend die Arme bewegt. Fritz Bebie empfiehlt: «Wechseln Sie ab und zu die Plätze, um auch auf der anderen Seite zu rudern.» Einen Kurs müsse man nicht machen, die Technik sei nicht allzu schwierig. Die Ausrüstung kann man bei Kanuclubs mieten.
Rudern im Stehen, zum Beispiel mit einem Weidling, schnitt nur genügend ab: Zwar ist auch das gut für die Kraft und das Verletzungsrisiko ist gering. Doch Rüdisüli sagt: «Es erfordert so viel Kraft, dass es für die meisten Personen nicht als Ausdauertraining geeignet ist.» Die Beweglichkeit fördere es kaum. Und es sei auch weniger geeignet, um Stress abzubauen: «Die Ruder- und Stachelbewegungen sind nicht so gleichförmig wie bei den anderen Sportarten. Das macht das Entspannen schwieriger.»
Stand-up-Paddling: Gute Entspannung
Besser ist Stand-up-Paddling. Dabei steht man auf einem Surfbrett und paddelt mit einem langen Stechpaddel auf einer Seite. «Es fördert die Kraft und die Ausdauer, da man den ganzen Körper einsetzen muss, wenn man vorwärtskommen will», sagt Rüdisüli Laurent. Und es baue Stress ab. «Da man steht, hat man stets eine schöne Aussicht.» Zudem gleite es fast lautlos über das Wasser. Das sei entspannend.
Tipps: So machen Sie sich fit zum Rudern oder Paddeln
- Trainieren Sie Ihren Rumpf, bevor Sie starten. Denn für Ruder- und Paddelsportarten braucht es starke Bauch- und Rückenmuskeln. Der Gesundheitstipp hat zehn Kraft- und Dehnungsübungen zusammengestellt (siehe Unten).
- Senioren sollten beim Arzt abklären, ob sie fit genug sind für die Sportart.
- Paddeln Sie nicht immer auf der gleichen Seite. Wechseln Sie ab.
- Rudern oder paddeln Sie nur so weit hinaus, dass Sie genug Energie für die Rückfahrt haben.
- Rudern Sie nur, wenn das Wasser ruhig ist.
- Kajakfahren und Rudern: Besuchen Sie einen Kurs bei einem Ruder- oder Kanuclub.
- Schweizerischer Kanuverband: Swisscanoe.ch, Schweizerischer Ruderverband: Ruderverband.ch.
Gratis-Merkblatt: «Kraft- und Dehnübungen»
Zum Herunterladen unter Gesundheitstipp.ch oder zu bestellen gegen ein frankiertes und adressiertes C5-Antwortcouvert bei: Gesundheitstipp, «Kraft- und Dehnübungen», Postfach 277, 8024 Zürich.