Heute dürfen Chirurgen sterbenden Patienten nur dann Organe entnehmen, wenn diese zuvor ausdrücklich ihr Einverständnis gaben. Das wollen Bundesrat und Parlament ändern: In Zukunft sollen alle Sterbenden als Organspender gelten, wenn sie sich zu Lebzeiten nicht dagegen ausgesprochen haben und in ein Register eintragen liessen. So sieht es das  neue Transplantationsgesetz vor.

Ein Komitee aus Fachleuten um die Ethikerin Ruth Baumann-Hölzle und den Winterthurer Hausarzt Alex Frei ergreift gegen das im Oktober erlassene Gesetz das Referen­dum. Das Komitee will, dass die Bevölkerung über eine wichtige Frage wie die Organentnahme abstimmen kann.

«Gesetz unterläuft die Selbstbestimmung»

Der Gesundheitstipp unterstützt das Referendum. Der wichtigste Grund: Schweigen eines Patienten soll auch künftig nicht als Zustimmung zur Organentnahme gewertet werden dürfen. Rechtsprofessor Thomas Gächter von der Uni Zürich sagt: «Eine solche Annahme untergräbt den rechtlichen Schutz der körperlichen Integrität und der Selbstbestimmung.» Ärzte könnten nie mit Sicherheit wissen, ob ein Patient eine Organentnahme wirklich gutheisst, wenn seine Zustimmung nicht schriftlich dokumentiert sei.

Laut Ruth Baumann-Hölzle, Leiterin der Stiftung Dialog Ethik, ist die Organspende grundsätzlich eine freiwillige Gabe. Die neue Regelung erhöhe die Gefahr, dass Chirurgen Organe gegen den Willen der Patienten entnehmen: «Dann begeht der Staat faktisch einen Diebstahl.»

Experten befürchten, dass das neue Gesetz vor allem so­zial Schwächere benachteiligen würde. Diesen fällt es schwerer, sich über ihre Rechte zu informieren und den ­eigenen Willen zu dokumentieren. Laut Thomas Gächter steigt so die Gefahr, dass die Ärzte Leute als «lebende Organbanken missbrauchen». Die Zürcher Philosophin und Juristin Birgit Christensen warnt auch vor einem höheren Druck auf die Angehörigen. Diese müssten laut Gesetz entscheiden, ob die Chirurgen Organe entnehmen dürfen, falls der Patient seinen Willen nicht dokumentiert hat.

Dazu kommt: Es ist unklar, zu welchem Zeitpunkt ein sterbender Patient wirklich tot ist. Im Transplantationsgesetz ist der Hirn­tod massgeblich. Doch wenn Ärzte bei einem Patienten den Hirntod feststellen, schlägt sein Herz noch, und seine Haut ist noch warm. Experten sagen daher, wenn die Chirurgen das Skalpell ansetzen, sei der Patient noch nicht tot. «Er ist am Sterben und wird durch die Entnahme getötet», schreibt eine Gruppe von Ärzten und Pflegefachleuten um den Hausarzt Alex Frei in der «Schweizerischen Ärztezeitung».

Fachleute kritisieren auch, das neue Gesetz verfehle sein Ziel: Es könne die Zahl der Organspenden nicht erhöhen. Das belegt auch eine Übersichtsstudie der Uni Zürich. Wissenschafter der Universität Birmingham (GB) kamen zum gleichen Schluss. Sie verglichen die Anzahl der Organspenden in insgesamt 35 Ländern. Ergebnis: Länder mit einer Regelung wie im neuen Schweizer Gesetz hatten keine höheren Transplantationsraten.