Die Krebsliga empfiehlt Frauen ab 50 Jahren, alle zwei Jahre ihre Brüste röntgen zu lassen. Erkenne man Brustkrebs früh, liessen sich viele Todesfälle verhindern, sagen Befürworter der Mammografie-Programme. Doch jetzt zeigt eine Analyse, die in der «Schweizerischen Ärztezeitung» erschien: Die Qualität der Brustkrebs-Untersuche ist in der Schweiz deutlich schlechter als im Ausland.
Der Statistiker Rolf Ritschard verglich die Daten des Mammografie-Jahresberichts 2011 mit ausländischen Zahlen. Er beruft sich damit auf die neuste Statistik. Ergebnis: Die Schweizer Ärzte erkennen viel weniger Krebsfälle als ihre ausländischen Kollegen. Sie sehen nur bei 5 bis 6 von 1000 untersuchten Frauen einen Tumor – international sind es 9 von 1000.
«Die heutige Situation ist unhaltbar»
Helena Weigert-Marx, Radiologie-Oberärztin am Kantonsspital Schaffhausen, erklärt das schlechte Abschneiden der Schweizer so: Ihnen fehle die Erfahrung, weil die Ärzte im internationalen Vergleich zu wenig Patienten untersuchten.
Seit langem stehen die Mammografie-Programme in der Kritik. Vor zwei Jahren bemängelte das Fachgremium Swiss Medical Board, es gebe zu viele Fehlbefunde, die zu unnötigen weiteren Abklärungen und Operationen führten.
Dazu kommt: Etwa ein Drittel der beim Röntgen festgestellten Tumoren sind harmlos. Vor zwei Jahren zeigte eine grosse kanadische Studie, dass Mammografie-Programme die Sterberate nicht verkleinern. Innert 25 Jahren starben 500 von 45000 Frauen, die sich regelmässig mit Mammografie untersuchen liessen, an Brustkrebs. Bei 45000 Frauen, bei denen der Arzt die Brüste abtastete, waren es praktisch gleich viele, nämlich 505.
Fachleute fordern, dass Behörden und Ärzte die Qualität der Programme verbessern. Erika Ziltener, Präsidentin des Dachverbands Schweizerischer Patientenstellen, sagt: «Die Situation ist unhaltbar.» Obwohl die Mängel längst bekannt seien, unternehmen die Verantwortlichen laut Ziltener zu wenig. In ihrem Buch «Wucht der Diagnose» fordert sie, dass alle Zentren, die Massenuntersuchungen durchführen, die Rate der falschen Befunde regelmässig veröffentlichen.
Untersuch nur bei erhöhtem Krebsrisiko
Viele Mediziner empfehlen nur Frauen mit erhöhtem Brustkrebs-Risiko, eine Mammografie machen zu lassen. Dazu gehören Frauen ab 40, deren Mutter, Schwester oder Tochter an Brustkrebs erkrankt sind, oder solche, die eine Vorstufe von Brustkrebs haben.
Die Krebsliga schreibt, die Häufigkeit von Brustkrebs hänge von Faktoren ab, die in jedem Land anders seien, etwa vom Alter der betroffenen Frauen. Deshalb könne man die Qualität der Röntgen-Programme verschiedener Länder nicht direkt vergleichen. Auch in Deutschland oder den USA würden Mammografie-Programme bei weniger als 9 von 1000 untersuchten Frauen Tumoren feststellen. Der Verband Swiss Cancer Screening sagt, die Mammografie-Programme würden die europäischen Richtlinien «praktisch in allen Bereichen» erfüllen. Es gebe aber «noch Raum», um die Qualität zu verbessern.