Schlangengift ist lebensgefährlich. Doch die Firma Horvi-Enzymed produziert aus dem Gift von Schlangen, Spinnen und Kröten Enzympräparate, die gegen viele Krankheiten helfen sollen. Im «Leitfaden für Therapeuten und Patienten» empfiehlt der Hersteller seine Mittel gegen Krebs, Rheuma, Kopfschmerzen, Allergien, Herzkrankheiten, Depressionen und andere Beschwerden. Ein Mangel an Enzymen sei verantwortlich für viele Krankheiten.
Präparate sind in der Schweiz nicht zugelassen
Die Firma Horvi-Enzymed gibt an, die Mittel seien ungefährlich, weil das Eiweiss aus dem Schlangengift entfernt werde. Übrig blieben nur Enzyme. Diese seien sehr gesund. Man könne die Horvi-Mittel spritzen, schlucken oder als Salbe auftragen.
Doch in der Schweiz sind die Produkte als Arzneimittel nicht zugelassen. Heiler und Therapeuten, die die Präparate verwenden, handeln laut der Schweizer Heilmittelbehörde Swissmedic illegal.
Ärzte kritisieren zudem die Aussagen von Horvi-Enzymed scharf. Der Herzspezialist Thomas F. Lüscher sagt: «Es gibt dafür keine wissenschaftliche Grundlage.» Ein Mangel an Enzymen trete selten auf. Zwar könne zum Beispiel eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse zu einem Mangel an Verdauungsenzymen führen. Doch es stimme nicht, dass ein Enzymmangel für alle möglichen chronischen Krankheiten verantwortlich sei: «Das ist barer Unsinn.»
Laut dem Zürcher Brustkrebsspezialisten Christoph Rageth gibt es keine Studien, die beweisen, dass die Mittel wirken. Und Hugo Kupferschmidt von der Informationsstelle Tox Info Suisse sagt: Die Aussage von Horvi-Enzymed, dass Enzyme übrig blieben, wenn man genügend viele Eiweisse aus dem Schlangengift entferne, sei falsch. «Enzyme sind auch Eiweisse.»
Die Horvi-Mittel hat ein deutscher Chemiker entwickelt. Laut der Zeitschrift «Gute Pillen –Schlechte Pillen» verlegten seine Nachfolger die Firma Horvi-Enzymed 2003 nach Holland, nachdem die deutschen Behörden einen wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis verlangt hatten. Jetzt verkauft Horvi-Enzymed ihre Produkte als «Nahrungsergänzungsmittel». Doch auch dies ist in der Schweiz verboten, wie Swissmedic sagt. «Horvi-Präparate dürfen nicht als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht werden.»
Einige Naturheiler verwenden Horvi-Mittel
Auch in der Schweiz verwenden Naturheiler Horvi-Produkte. Nicht alle stehen offen dazu. Eine Naturheilerin will ungenannt bleiben: «Das gäbe Riesenprobleme», sagt sie. Weniger Bedenken hat der Naturheiler Martin Nötzli aus Sissach BL: Er preist die Horvi-Enzym-Therapie auf seiner Website «zur Behandlung von Krankheiten als auch zur Prophylaxe an».
Peter den Boer von der Firma Horvi-Enzymed sagt, «mehr als 100000 Patienten» hätten bestätigt, dass diese Produkte wirken. Viele Fachleute auf der ganzen Welt würden sie seit über 70 Jahren «mit Erfolg» anwenden. Seine Firma habe kein Geld, um wissenschaftliche Studien zu finanzieren. Horvi-Enzymed veröffentliche auf ihrer Website keine verbotenen Heilanpreisungen. Informationen zur Heilwirkung versende man «nur auf Wunsch der Therapeuten oder der Kunden».