Das strahlende Erbe von Tschernobyl

Auch 27 Jahre nach der AKW-Katastrophe von Tschernobyl findet sich noch immer radioaktive Strahlung in Lebensmitteln. Der Gesundheitstipp fand teils bedenkliche Mengen von Cäsium-137 in Konfitüren.

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Gesundheitstipp 04/2013

17.04.2013

Sonja Marti, Redaktion Gesundheitstipp

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Der Super-Gau von Tschernobyl ist schon fast vergessen. Der Atomreaktor explodierte vor mehr als einem Vierteljahrhundert im April 1986. Doch das verheerende Erbe von Tschernobyl ist immer noch präsent – in der Heidelbeer-Konfitüre auf unserem Frühstückstisch zum Beispiel. Das zeigt eine Stichprobe des Gesundheistipp. Er liess zwanzig Heidel- und Waldbeer-Konfitüren im Labor auf Cäsium-137 untersuchen. Dieser Stoff gelangte bei der Katastrophe von Tschernobyl in grossen Mengen in die Umwelt.

Das Labor fand in allen vierzehn Heidelbeer-Konfitüren Cäsium. Am meisten strahlte die Bio-Konfitüre «Die charmante Heidelbeere» von Sonnentor. Pro Kilogramm Konfitüre mass das Labor 133 Becquerel Cäsium-137 (siehe Tabelle). Die dafür verwendeten Heidelbeeren enthielten damit über 200 Becquerel – berechnet aus dem Fruchtanteil der Konfitüre. Das ist doppelt so viel wie der Schweizer Toleranzwert für Wildbeeren von 100 Becquerel pro Kilo. Markus Zehringer, Radioaktivitäts-Experte beim Kantonslabor Basel-Stadt, sagt dazu: «Eine solche Probe würden die Behörden beanstanden.» Auch in den Heidelbeer-Konfitüren von Darbo, Ottiger und Wilkin & Sons fanden sich erhöhte Werte bis zu 50 Becquerel.

«Es gibt keine ungefährliche Dosis»

Bei den Waldfrucht-Konfitüren war ebenfalls das Bio-Produkt von Sonnentor am stärksten belastet. Der Grund sind höchstwahrscheinlich auch hier die darin enthaltenen Heidelbeeren aus der Ukraine.

Laut dem Umweltinstitut München raten unabhängige Fachleute, dass die Nahrung für Kinder mit höchstens 10 Becquerel belastet sein sollte. Christina Hacker vom Umweltinstitut betont, dass es keine ungefährliche Dosis gebe. Radioaktivität schädige die Zellen und könne somit Krebs verursachen. «Wie gut der Körper die Schäden reparieren kann, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.» Besonders heikel sei die Belastung für Kinder und Schwangere sowie Menschen mit verminderten Abwehrkräften.

Im Vergleich zu anderen Beeren sind Heidelbeeren häufiger mit Cäsium belastet. Der Grund: Sie wachsen auf saurem Waldboden. Dieser bindet den radioaktiven Stoff schlechter als tonhaltige Ackerböden. So gelangt er leichter in die Pflanzen. Allerdings «saugen» nicht alle Waldpflanzen gleich viel Cäsium aus dem Boden. Heidelbeeren tun dies besonders stark.

Die gemischten Waldfrüchte-Konfitüren schnitten im Test deshalb auch deutlich besser ab. Denn sie bestehen zum grössten Teil aus Brombeeren, Himbeeren und Erdbeeren. Diese stammen aus Ackerlandkulturen und sind bezüglich radioaktivem Cäsium unproblematisch. Das gilt auch für Heidelbeeren aus Kanada und den USA – den zwei grössten Heidelbeer-Produzenten der Welt.

Viele Gebiete noch immer stark belastet

Allerdings verwenden viele Konfitüren-Hersteller Beeren aus Ost- und Nordeuropa. Das sind genau die Gebiete, die vom radioaktiven Niederschlag von Tschernobyl besonders betroffen waren. Der Schweizer Atomexperte Stefan Füglister sagt: «Es gibt Regionen, wo der Boden noch immer sehr stark mit Cäsium-137 belastet ist.» Dies gilt nicht nur für die Oststaaten, sondern auch für Finnland, Schweden und Schottland sowie einige Gebiete in Österreich und Bayern. Stefan Füglister: «Dort können auch andere Waldprodukte wie Pilze und Wildfleisch stark belastet sein.» Ärgerlich für Konsumenten: Die Herkunft der Beeren muss auf der Verpackung nicht angegeben werden.

Die Bioläden Egli und L’ultimo Bacio aus Zürich erklärten, dass sie die beanstandeten Sonnentor-Produkte dieser Charge sofort aus dem Sortiment nehmen. «Vorsichtshalber», wie Marianne Zehnder vom Bioladen Egli erklärt. Sie «geht nicht davon aus, dass die Konfitüre gesundheitsgefährdend ist». Das glaubt auch Hersteller Sonnentor. Für die nächste Produktion habe die Firma aber weniger belastete Beeren aus Litauen eingekauft. Auch Jelmoli will künftig weniger belastete Beeren verwenden. Migros und Lidl erklären, dass ihre Produkte unter dem empfohlenen Wert für Kinder liegen. Migros überprüfe kritische Lebensmittel regelmässig auf radioaktive Rückstände. Dies machten auch Spar und dessen Lieferanten Ottiger und Darbo, so Sprecher Jürg Egger. Von Konfitüren würden nur kleine Menge gegessen. Zudem sei der gesetzliche Toleranzwert nicht überschritten. Darauf beruft sich auch Hero. Die Firma lasse die Radioaktivität der Rohwaren immer messen.

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