Der Weg in die neue Identität
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saldo 3/2000
16.02.2000
Findet sich eine Frauenseele im Männerkörper nicht zurecht, lässt sich der Körper hormonell und chirurgisch anpassen.
Sie hat schlanke Beine, schmale Hüften. Die Finger sind feingliedrig, der Körper mädchenhaft. "Ja, ich bin eine Frau", erklärt Nadia Brönimann (31), "ich fühle und denke als Frau."
Bis 1998 hiess Nadia Christian und war - körperlich gesehen - ein Mann. Schon als Kind merkte Christian, dass er anders denkt und fühlt. "Ich spielte lieber mi...
Findet sich eine Frauenseele im Männerkörper nicht zurecht, lässt sich der Körper hormonell und chirurgisch anpassen.
Sie hat schlanke Beine, schmale Hüften. Die Finger sind feingliedrig, der Körper mädchenhaft. "Ja, ich bin eine Frau", erklärt Nadia Brönimann (31), "ich fühle und denke als Frau."
Bis 1998 hiess Nadia Christian und war - körperlich gesehen - ein Mann. Schon als Kind merkte Christian, dass er anders denkt und fühlt. "Ich spielte lieber mit Mädchen und baute mir eine eigene Fantasiewelt auf."
Christian isoliert sich immer mehr. Andere Knaben beginnen, ihn sexuell anzuziehen. "In der Pubertät wusste ich schlicht nicht, was mit mir los ist." Dann, im Frühling 1988, das Schlüsselerlebnis: In einer Revue in Südfrankreich sieht Christian eine Transsexuelle auf der Bühne. "Da wurde mir klar, das ist mein Leben." Vorabklärungen für die Geschlechtsumwandlung verlaufen aber enttäuschend: Er sei mit 20 Jahren zu jung für eine derart radikale Operation.
Auf die Hormonbehandlung folgt die chirurgische Umwandlung
Christian muss sich wieder neu orientieren, sucht sein Glück in der Homosexualität. Aber seine weibliche Seele findet keine Ruhe. 1993 bricht er radikal mit der Schwulenszene. "Psychisch war ich total kaputt und überlegte mehrmals, mich umzubringen."
1996, nach monatelangen Gesprächen mit Ärzten und Psychologen, wagt er die erste Phase der Geschlechtsanpassung: die Hormonbehandlung. Christians Körper wird weiblicher. Im Juli 1998 folgt der entscheidende Schritt: die operative Umwandlung. Am Zürcher Unispital formt Chirurg Dr. Walter Künzi in einer sechsstündigen Operation aus der Haut von Penis und Hodensack eine Scheide und Schamlippen. Aus Christian wird Nadia.
Nadia hat ihre sexuelle Identität gefunden, doch kämpft sie mit körperlichen Problemen. Die neue Scheide schrumpft. An sexuellen Genuss ist noch nicht zu denken. Sie wird erneut operiert, insgesamt neunmal. Zeitweise musste sie mit einem künstlichen Darmausgang leben. Ein immenser Aufwand an Kraft und Energie. Doch für Nadia der richtige Weg: "Ich würde es wieder machen. Aber ich hätte nie gedacht, was alles auf mich zukommt."
Steffen Lukesch