Die Glut der späten Jahre neu entfachen
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Gesundheitstipp 4/2001
01.04.2001
Letitia und Pedro sind seit über 20 Jahren verheiratet und haben eine Tochter, Susanne. Nach langem Zögern haben sie eingewilligt, dass Susannes Freund übers Wochenende zu Besuch kommen kann. Zuerst verbringen sie gemeinsam einen netten Abend und die Eltern sind entzückt von dem jungen Mann. Aber hinterher liegen die Eltern bis in die frühen Morgenstunden wach.
In Susannes Zimmer, das direkt über dem Elternschlafzimmer liegt, geht die Post ab. Die Böden knarren, die Betten ...
Letitia und Pedro sind seit über 20 Jahren verheiratet und haben eine Tochter, Susanne. Nach langem Zögern haben sie eingewilligt, dass Susannes Freund übers Wochenende zu Besuch kommen kann. Zuerst verbringen sie gemeinsam einen netten Abend und die Eltern sind entzückt von dem jungen Mann. Aber hinterher liegen die Eltern bis in die frühen Morgenstunden wach.
In Susannes Zimmer, das direkt über dem Elternschlafzimmer liegt, geht die Post ab. Die Böden knarren, die Betten quietschen... Pedro steht kurz vor einer Explosion und möchte den jungen Mann am liebsten rauswerfen. Letitia denkt: «So leidenschaftlich war es auch bei uns einmal. Aber lang ist es her.»
Standortbestimmung drängt sich auf
Wenn Söhne und Töchter beginnen, ihre Sexualität auszuleben, kommen Eltern nicht darum herum, ebenfalls einen Entwicklungsschritt zu vollziehen. Die Begegnung mit der Sexualität der Kinder ist eine gute Möglichkeit, den Stand des eigenen Reifeprozesses zu überprüfen.
Die Eltern werden dabei auch nicht darum herumkommen, sich mit ihrer eigenen Sexualität zu beschäftigen. Mit den Jahren haben sich ihre sexuellen Bedürfnisse meist verändert. Der unkomplizierte Umgang eines jungen Paares mit der Sexualität ruft diese Tatsache schmerzhaft ins Bewusstsein. Vielleicht werden alte Sehnsüchte geweckt oder es breiten sich Gefühle der Enttäuschung aus, weil man meint, vieles verpasst zu haben.
Viele richten - wie Letitia - dann Vorwürfe an den Partner: «Du hast dich zu wenig um den erotischen Aspekt unserer Beziehung gekümmert», heisst es etwa. Doch resigniert in die Vergangenheit zu blicken nützt nichts. Das Festhalten an alten Vorstellungen verhindert im Gegenteil, neue Lebensperspektiven zu erkennen und umzusetzen. Schliesslich ist es die Auseinandersetzung mit dem Älterwerden und die damit verbundenen Veränderungen, die uns reifen lässt.
Zeit des Abschieds - eine Chance für die Beziehung
So ist die Zeit, da Kinder erwachsen werden, nicht nur eine aufreibende und vielleicht auch schmerzliche Lebensphase des Abschieds und des Loslassens, sondern sie bietet für die Eltern eine grosse Chance, sich weiterzuentwickeln.
Auch für Letitia und Pedro geht es jetzt darum, sich möglichst ehrlich auf die eigenen Gefühle einzulassen. Wenn es ihnen gelingt, offen über Sexualität und über andere wichtige Aspekte des Zusammenlebens zu sprechen, kann gerade dadurch wieder Nähe und Vertrautheit entstehen.
So können sie eventuell auch ihre sexuelle Aktivität neu beleben. Oder es eröffnen sich andere sinnliche Lebensräume, die es als Paar gemeinsam zu gestalten gilt. Sie könnten sich zum Beispiel für Musik, Literatur und Kunst interessieren, sich Wissensgebiete erschliessen, soziales Engagement entwickeln, fremde Länder bereisen und Kulturen kennen lernen oder sich an sportlichen Aktivitäten erfreuen und im Wellnesspool erquicken.
BUCH-TIPPS
- Eva Jaeggi, Walter Holenstein: «Wenn Ehen älter werden. Liebe, Krise, Neubeginn», Piper Verlag, Fr. 17.70
- Michael Mary: «Fünf Lügen die Liebe betreffend», Hoffmann und Campe-Verlag, Fr. 24.30