Die Interessengemeinschaft ist sich sicher: Dinkel ist «das wertvollste Grundnahrungsmittel, das uns die Natur bietet». Das schreibt die IG Dinkel auf ihrer Internetseite. Es sei reich an Vitaminen, ideal für Linienbewusste, gar ein «Schlankmacher». Denn Dinkel lasse den Blutzucker nur langsam ansteigen und sättige langfristig.
Doch Fachleute sind sich einig: Dinkel ist kaum gesünder als Weizen. Laut Arnold Schori von der Forschungsanstalt Agroscope in Changins VD haben Dinkel und Weizen einen «ziemlich ähnlichen» Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen. Einzig von den Vitaminen B2 und B3 enthalte Dinkel mehr als der Weizen.
Zudem gilt: Wer etwa ein Brot aus weissem oder halbweissem Dinkelmehl isst, nimmt weit weniger Vitamine zu sich als mit einem Vollkornbrot aus Weizenmehl. Carine Buhmann, Gesundheitstipp-Fachfrau für Ernährung, hält fest: «Der Unterschied zwischen Vollkorn- und Weissmehl ist viel entscheidender als zwischen Weizen und Dinkel.»
Dies gilt auch für die Wirkung auf den Blutzucker. Nur Dinkel-Vollkornprodukte lassen den Blutzucker langsam ansteigen, so Buhmann: «Vollkornmehl hat generell mehr Ballaststoffe. Diese verstärken das Sättigungsgefühl. Doch ob das Vollkornmehl aus Dinkel oder Weizen ist, spielt keine Rolle.»
Wenig Dinkel-Vollkorn bei Grossverteilern
Längst nicht jedes Dinkelbrot im Laden ist ein Vollkornbrot. Migros hat im überregionalen Sortiment gar keine Dinkel-Vollkornbrote; sämtliche Brote und Brötchen sind aus Ruchmehl. Bei Coop ist das Dinkel-Frischbrot aus Halbweissmehl mit Vollkornschrot. Immerhin: Coop hat ein haltbares Brot in Plastikverpackung aus Vollkornmehl.
Mehrere Anbieter, etwa das Dinkelzentrum in Stein AR oder die Bäckerei Villiger in Netstal GL, preisen ihr Dinkelgebäck noch mit einem weiteren Argument an: Für Menschen, die an einer Weizenallergie litten, sei es eine Alternative zu den herkömmlichen Backwaren.
Allergiker vertragen Weizen und Dinkel nicht
Doch das ist ein Irrtum. Mark Anliker, leitender Arzt für Allergien am Kantonsspital St. Gallen: «Wer auf Weizen allergisch ist, verträgt auch keine Dinkelprodukte.» Zwar gibt es Menschen, die überzeugt sind, eine Weizenallergie zu haben, und die berichten, mit Dinkel gehe es ihnen fabelhaft.
Doch Carine Buhmann bezweifelt, dass diese Menschen an einer echten Weizenallergie leiden. Oftmals würden zwar Verfahren aus der Alternativmedizin auf eine Allergie hinweisen, «doch dies ist noch keine aussagekräftige Antwort».
Viele Betroffene verzichten jedoch bereits nach einer solchen «Diagnose» auf Weizenprodukte – wohl oft unnötigerweise, so Carine Buhmann. Der Rat der Ernährungsfachfrau deshalb: «Wer vermutet, dass er an einer Allergie leidet, sollte dies beim Arzt abklären lassen.»
Auch für Zöliakie-Patienten ist Dinkel keine Alternative. Sie reagieren auf Gluten, die auch in Dinkel enthalten sind. Hier spricht auch die IG Dinkel Klartext: «Menschen mit Zöliakie müssen Dinkel unbedingt meiden.»
Gegenüber dem Gesundheitstipp distanziert sich die IG Dinkel ebenfalls von den Anbietern, die Dinkelprodukte als Alternative für Weizenallergiker verkaufen: «Unseren Mitgliedern empfehlen wir, auf solche Anpreisungen zu verzichten.»
Die Bäckerei Villiger in Netstal entfernte die entsprechende Aussage von ihrer Internetseite, als der Gesundheitstipp sie darauf ansprach. Nicht so das Dinkelzentrum in Stein. Es behauptet weiterhin, dass Weizenallergiker mit Dinkel «gut leben» können: «Das haben wir mit unserem Bäcker, der Asthmatiker ist, getestet.»
Trotzdem habe Dinkel gesundheitliche Vorteile, schreibt die IG Dinkel: So gebe es «keine Pilzgift-Verunreinigungen», und Dinkelvollkorn habe «mehr essenzielle Fettsäuren als Weizenvollkorn».
Sie räumt aber ein, dass der Unterschied zwischen Vollkorn- und Weissmehl entscheidender sei. Dass man Dinkel als wertvollstes Grundnahrungsmittel bezeichne, habe auch «agronomische und ökologische» Gründe: Dinkel bringe «mit sehr wenig Dünger sehr gute Qualität hervor».
Tipps: Gesundes Brot
- Bevorzugen Sie Vollkornbrot. Es enthält am meisten gesunde Mineralien, Ballaststoffe sowie Vitamin B1.
- Ruchbrot hat noch gut halb so viele Mineralien wie Vollkornbrot.
- Weissbrot enthält nur noch einen Fünftel so viel.
- Achtung: Auch Weissbrot kann eine dunkle Farbe haben. Oft geben Hersteller Malzmehl hinzu. Fragen Sie im Zweifelsfall nach.
- Bei Grossverteilern erkennen Sie das Mehl an der Farbe des Beutels. Bei Migros gilt: Grün = Vollkorn, Rot = Ruchmehl, Gelb = Halbweiss- oder Weissmehl.
- Coop verwendet braune Beutel für Vollkornbrote, aber auch für spezielle Brote wie Nussbrote. Rot steht für Ruch- und Halbweissmehl, Gelb für Weissmehl.
- Kaufen Sie ab und zu Brote mit Kernen oder Nüssen. Sie liefern gesunde Fettsäuren und wertvolle Eiweisse.
- Ob Sie Weizen-, Dinkel-, Roggen- oder Gerstenbrot kaufen, spielt für die Gesundheit kaum eine Rolle.