Sobald es draussen früh dunkel und kalt wird, macht sich Kathrin Stettler gerne einen gemütlichen Abend zu Hause. Dafür zündet sie ein Lämpchen an, das mit ein paar Tropfen Bergamotte-Öl gefüllt ist. «Dieser Duft beruhigt mich und hilft mir, nach einem stressigen Arbeitstag Ruhe zu finden», sagt sie.
Kathrin Stettler kennt sich mit ätherischen Ölen aus. Sie leitet den Gebärsaal am Bürgerspital Solothurn. Dort setzen die Hebammen schon seit Jahren auf Düfte von ätherischen Ölen. Diese helfen Frauen, die in der Schwangerschaft Probleme haben, aber auch bei Geburten und im Wochenbett.
«Besonders gut sprechen Frauen auf Lavendel, Verbena (Eisenkraut) Römische Kamille, Rose und Ylang Ylang an», so Stettler. Düfte aus diesen Pflanzen beruhigen. Denn oft seien Frauen während einer Geburt, die sich über Stunden hinziehen kann, verspannt und ängstlich. Stettler: «Je nach Wunsch machen wir ein Fussbad, zünden ein Duftlämpchen an oder geben etwas Öl auf ein Taschentuch.» Ätherische Öle würden nach einem fixen Konzept und streng nach Vorschrift eingesetzt, sagt Stettler, denn: «Wenn das Öl nicht zum Beschwerdebild passt, könnte es das Gegenteil bewirken.» Ein Beispiel ist Zimtöl. Es kann vorzeitige Wehen bei Schwangeren verstärken.
Ihren festen Platz haben ätherische Öle zudem in der Pflege von Menschen mit Demenz. In der Klinik Sonnweid im zürcherischen Wetzikon möchte die stellvertretende Pflegedienstleiterin Bernarda Stocker nicht mehr auf die Öle verzichten. «Wir wählen für unsere Bewohner gezielt Düfte aus und tragen sie verdünnt auf – etwa als Körperöl.» Es sei immer wieder schön zu erleben, so Stocker, «wie sich die Patienten dabei entspannen und ruhiger werden».
Die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel setzen bei Patienten seit siebzehn Jahren ätherische Öle ein. Psychiatriepflegefachfrau und Aromatherapeutin Regula Rudolf von Rohr sagt: «In der Psychiatrie geht es vor allem darum, dass die Patienten wieder lernen, sich zu spüren.» Wenn die Patienten merkten, dass sie sich selber Gutes tun können, sei das Ziel erreicht.
Ob Düfte auf Körper und Seele wirken, ist wissenschaftlich erforscht. Gut belegt ist, dass Lavendel, Melisse und Kamille beruhigen. Rosmarin regt eher an. Eukalyptus, Kampfer und Thymian wirken auf die Atemwege. In ätherischen Ölen sind zudem viele verschiedene Stoffe, die Bakterien abtöten oder deren Wachstum hemmen.
Beat Meier, Professor für Phytopharmazie an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wädenswil ZH, sagt: «Der Körper nimmt die Stoffe über die Nase und die Haut auf.» Wie die ätherischen Öle wirken, könne man problemlos selber feststellen. Meier: «Wenn ich erkältet bin und mir eine Salbe mit Kampfer-, Eukalyptus- oder Pfefferminzöl einreibe oder inhaliere, spüre ich Erleichterung.» Das Öl der Pfefferminzpflanze wirkt auch bei Übelkeit und Erbrechen. Das beweist eine Übersichtsstudie des unabhängigen Forschernetzwerks Cochrane vom letzten Jahr. In einer aktuellen Studie der Universität im ägyptischen Mansoura konnten Forscher nachweisen, dass ätherische Öle von Zimt, Gewürznelke, Rose und Lavendel Menstruationsbeschwerden lindern.
Aromaspezialistin Barbara Bernath-Frei schult Ärzte und Pflegefachpersonal an Spitälern und in Alters- und Pflegeheimen im Umgang mit ätherischen Ölen (siehe auch Kasten). Oft sei das Problem, dass man die Öle falsch dosiere. Bernath-Frei: «Viele wissen nicht, dass man nur 2 bis 3 Tropfen ätherisches Öl in eine Duftlampe geben darf.» Sonst sei der Duft zu intensiv und könne Kopfweh auslösen. Zudem muss immer genügend Wasser in der Schale sein, aber nicht kochendes. Grund: Wenn das Öl verbrennt, können schädliche Stoffe entstehen.
Tipps: So wenden Sie ätherische Öle an
- Vollbad: Lassen Sie erst das Wasser ein. Mischen Sie dann in einem Becher 10 Tropfen ätherisches Öl und 0,5 dl Vollrahm. Giessen Sie die Mischung ins Badewasser.
- Fussbad: Geben Sie ein bis mehrere Esslöffel grobkörniges Meersalz und maximal 6 Tropfen ätherisches Öl in ein Becken mit warmem Wasser. Setzen Sie sich bequem hin, die Füsse im Becken, und geniessen Sie das Fussbad, so lange Sie mögen.
- Körperöl zum Einreiben: Geben Sie 1 bis 2 Tropfen ätherisches Öl in 1 Deziliter kaltgepresstes Öl, z. B. in Sonnenblumen-, Oliven-, Mandel- oder Jojobaöl. Am besten kaufen Sie ätherisches Öl in Bio-Qualität.