Sandra Pellegrini (Name geändert) war mit der Form ihrer Nase unglücklich. Sie flog in die Türkei, um dort einen Buckel auf dem Nasenbein glätten zu lassen. Zudem wollte sie die Nasenspitze anders, doch der türkische Chirurg riet ihr davon ab. «Er sagte, meine Nasenlöcher wären nachher zu klein», erinnert sich die 20-Jährige. Deshalb wandte sie sich an Volker Wedler, der an verschiedenen Kliniken operiert: im Kantonsspital Frauenfeld, an der Bellevue Klinik Kreuzlingen TG, an der Berit Klinik Teufen AR und an der Privatklinik Bethanien in Zürich. «Er wirkte sympathisch», sagt Sandra Pellegrini. «Innert zwei Monaten bekam ich einen Termin für die Operation.»
Am 13. April 2015 fuhr Sandra Pellegrini in die Bethanien-Klinik. Vor der Operation hatte sie plötzlich ein schlechtes Gefühl. Sie sagte dem Personal, sie wolle noch einmal mit dem Chirurgen reden. «Aber es hiess, das sei nicht möglich», erinnert sie sich. Dennoch sagte sie die Operation nicht ab. Was dann passierte, veränderte das Leben der jungen Frau schlagartig.
Als sie aus der Narkose aufwachte, war ihr Gesicht aufgeschwollen und ihre Augen schmerzten. Die Nasenspitze verfärbte sich schnell dunkel. Grund: Chirurg Volker Wedler hatte zusätzlich Desinfektionsmittel in die Nase gespritzt, statt des vorgesehenen Betäubungsmittels. Eine Assistentin hatte ihm versehentlich die falsche Flüssigkeit gereicht. Der Chirurg brach die Operation ab und erkundigte sich telefonisch bei Kollegen, was er tun solle. «Keiner konnte mir einen Rat geben», schrieb er ins Protokoll, das dem Gesundheitstipp vorliegt.
Ein grosses, schwarzes Loch klaffte in der Nase
Ein Ambulanzfahrzeug brachte Sandra Pellegrini ins Universitätsspital Zürich. Dort verschlechterte sich der Zustand der Patientin weiter. Zehn Tage musste sie im Spital bleiben. Anfang Mai klaffte in der Nase der Patientin ein grosses, schwarzes Loch. Die Nasenspitze hatte sich abgelöst, auch der Knorpel war schwarz verfärbt.
Was an jenem 13. April im Operationssaal der Privatklinik Bethanien ablief, ist bis heute nicht ganz geklärt. Dem Gesundheitstipp liegt ein Dokument vor, das mit dem Namen der Assistentin unterzeichnet ist, die die Flüssigkeiten verwechselte. Für die Assistentin ist klar: Die «allgemeinen Umstände» hätten dazu beigetragen, dass die schwerwiegende Verwechslung passierte. Der plastische Chirurg habe damals «noch nicht sehr lange» an der Bethanien-Klinik operiert. Sie kritisiert, es sei «keine adäquate Richtkarte» vorhanden gewesen, aus der ersichtlich gewesen wäre, welche Materialien der Chirurg benötige. Zudem habe «allgemeine Unruhe» im Operationssaal geherrscht, weil ein Stromgerät nicht funktioniert habe. Immer wieder habe sie ihre Kollegin zu sich rufen müssen, wenn sie Flüssigkeiten brauchte, die nicht auf der Richtkarte standen. Sie habe versucht, den Ablauf der Operation nicht zu verzögern, statt dem Chirurgen zu sagen, er solle warten, bis alles in Ruhe vorbereitet sei.
Die Zürcher Privatklinik Bethanien schreibt in einer Stellungnahme, sie bedaure den Vorfall zutiefst. Die Klinik schreibt von einer «fatalen Verkettung unglücklicher Faktoren». Auch wenn es sich um einen Einzelfall handle, sei er für die Patientin äusserst tragisch. Der Fall werde das Sicherheitsbewusstsein der Klinik «weiter schärfen». Trotz «höchster Sicherheitsstandards und aller entsprechenden Vorkehrungen» könne ein Fehler leider nie ganz ausgeschlossen werden.
Externe Fachleute sehen das etwas anders. Dirk J. Schaefer, Chefarzt für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie am Universitätsspital Basel, erklärt, solche Verwechslungen würden meistens «durch mangelnde Kommunikation im Team» passieren.
Luzi Dubs, Facharzt für Orthopädische Chirurgie in Winterthur ZH, sagt: «Die Assistentin hat die Flüssigkeiten vermutlich zu wenig sorgfältig vorbereitet und der Chirurg hat diese zu wenig sorgfältig kontrolliert.» Die von der Pflegerin geschilderte Unruhe im Operationssaal erhöhe das Risiko von Fehlern, erkläre die Verwechslung aber nicht abschliessend.
Sandra Pellegrinis Leidensweg ist noch nicht zu Ende. Chirurgen des Zürcher Universitätsspitals versuchten, ihre Nase zu rekonstruieren. Dafür waren mehrere komplizierte Operationen nötig. Aus einem Ohr entnahmen die Ärzte Knorpelstücke und setzten sie in der Nase ein. Die Nasenspitze formten sie neu mit Gewebe von der Stirn und von der Kopfhaut. Pellegrini ist von den vielen Eingriffen gezeichnet. Auf der Nasenspitze trägt sie ein Pflaster, um die Narbe zu verdecken. Auch über die Stirn verläuft eine lange Narbe. Weitere Operationen sind geplant.
«Ich kann die Sprüche kaum noch ertragen»
Weil Pellegrini als Kellnerin arbeitet, macht ihr das veränderte Gesicht besonders zu schaffen. «Ich kann die Sprüche der Gäste kaum noch ertragen», sagt sie. Sie ist in psychologischer Behandlung. Sie benötigt Schlafmittel und leidet unter Albträumen. Die junge Frau sagt: «Ich habe schon fast ein Jahr meines Lebens verloren.» Jetzt kämpft sie mit einem Anwalt für eine angemessene Genugtuung.
In ihrer Stellungnahme schreibt die Privatklinik Bethanien, sie übernehme zusammen mit dem Chirurgen, der nicht bei der Klinik angestellt sei, die Verantwortung. Die finanzielle Wiedergutmachung liege in den Händen der Versicherung der Klinik.
Der Fall zeigt: Eine Schönheitsoperation ist ein Eingriff, den man sich gut überlegen sollte. Die Solothurner Frauenärztin Regina Widmer sagt: «Viele Frauen bewerten ihren Körper überkritisch, weil sie sich an einem idealisierten Körperbild messen.» Wer mit dem Gedanken spiele, sich operieren zu lassen, sollte sein Selbstwertgefühl verbessern und lernen, den Körper so anzunehmen, wie er ist. Wer sich dennoch operieren lassen will, solle den Chirurgen sorgfältig auswählen. Zudem sollte man vor dem Eingriff die Meinung eines oder zwei anderer Experten einholen.
Schönheitsoperationen: Das müssen Sie wissen
- Lassen Sie sich vom Chirurgen über die Risiken der Operation informieren.
- Wählen Sie den Arzt sorgfältig aus. Erkundigen Sie sich nach seiner Erfahrung.
- Wenn Sie mit dem Ergebnis der Operation nicht zufrieden sind, sprechen Sie zuerst mit dem Chirurgen.
- Wenn das nichts nützt: Wenden Sie sich an einen anderen Arzt oder an die Ärztevereinigung FMH unter www.fmh.ch/services/Gutachterstelle