Gewisse Angebote haben mit Wellness wenig zu tun - Ferien können Ihre Gesundheit gefährden
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Haus & Garten 1/2001
01.01.2001
Wellness-Aufenthalte sollten eigentlich Ihr Wohlbefinden steigern. Doch Achtung: Es besteht die Gefahr, dass Sie sich nach Ihrem «Verwöhn-Urlaub» schlechter fühlen als zuvor.
Nicht weniger als 76 verschiedene Behandlungsarten listet «Schweiz Tourismus» im Katalog «Wellnessferien» auf; sie sollen dafür garantieren, dass man landesweit in 42 Hotels «Wellnessferien nach Mass» verbringen kann.
Vor diesem Hintergrund schrieb die SonntagsZeitung unlängst leich...
Wellness-Aufenthalte sollten eigentlich Ihr Wohlbefinden steigern. Doch Achtung: Es besteht die Gefahr, dass Sie sich nach Ihrem «Verwöhn-Urlaub» schlechter fühlen als zuvor.
Nicht weniger als 76 verschiedene Behandlungsarten listet «Schweiz Tourismus» im Katalog «Wellnessferien» auf; sie sollen dafür garantieren, dass man landesweit in 42 Hotels «Wellnessferien nach Mass» verbringen kann.
Vor diesem Hintergrund schrieb die SonntagsZeitung unlängst leicht spöttisch, Wellness stehe inzwischen für fast alles, «was über die normale Duschbrause und den Morgenkaffee hinausgeht».
Es ist tatsächlich schwierig, sich im Dschungel der Angebote zurechtzufinden. Viele Erholungssuchende unterziehen sich deshalb zu Beginn ihres Wellness-Aufenthalts ohne Widerrede einem ärztlichen Gesundheitstest. Sie erhoffen sich Aufschluss darüber, welche der unzähligen Programme für sie geeignet sind.
Die Sache hat bloss einen Haken: Die Check-ups sind in der Regel völlig überflüssig. «Ein ärztlicher Untersuch bei Menschen ohne jegliche Beschwerden bringt selten etwas an den Tag», sagt Thomas Walser, Arzt und medizinischer Experte des Gesundheitsmagazins Puls-Tipp. «Mindestens solange man gesund ist und auch so lebt, sollte man sich selbst mehr vertrauen als einem Arzt.»
Walser kritisiert denn auch vehement, dass der Check-up in den meisten Wellness-Hotels fester Bestandteil des Angebots sei. Begründung: «Wellness soll wohl tun, gesundheitsorientiert sein - und nicht geprägt durch einen krankheitsorientierten Untersuch zu Beginn des Aufenthalts.»
Wer sich krank fühlt, geht besser zum Hausarzt
Oder anders gesagt: Wenns wirklich um Wellness geht, braucht es keine Mediziner. Und wer sich krank fühlt, fährt besser zum Hausarzt statt ins Wellness-Hotel.
Erst recht Grund, misstrauisch zu werden, haben Wellness-Gäste laut Walser, wenn der Check-up von «Heilungsversprechen» begleitet ist und in einschneidende Therapien mündet.
Davon gibts auf der Wellness-Liste von «Schweiz Tourismus» einige. Angebote wie Dauerbrausen, Heilfasten, Sauerstofftherapien, Gerovitalkuren, Darmeinläufe und die fünf Tibeter seien aus medizinischer Sicht zumindest fragwürdig, erklärt der Arzt.
Er hat dafür ein starkes Argument: «Solche "Behandlungen" und Programme basieren auf einem schrecklichen Menschenbild: Der Mensch ist verschlackt, voller Müll, wurmstichig, krank, selbst der Blutpilz ist meist schon drin - also muss man reinigen und entschlacken.»
Das tönt nicht eben nach Entspannung und Genuss; und es fällt schwer, die erwähnten Angebote mit Wellness in Verbindung zu bringen. Diverse Hotels haben damit aber keine Mühe.
Oder etwa doch? Auf die Frage von K-Spezial, aus welchen Gründen Heilfasten, fünf Tibeter und Sauerstofftherapie auf seiner Angebotsliste figurieren, heisst es zum Beispiel im Kurhotel Seeblick in Wienacht-Tobel AR: «Wir haben davon nur noch das Früchtefasten im Programm.»
Konkurrenz durch klassische Kurhäuser
Auf etwas Distanz geht auch René Brüggemann, Direktor des Hotels Edelweiss in Sils Maria GR: «Fünf Tibeter und Sauerstofftherapie besitzen in unserem Angebot nur geringen Stellenwert.» Man habe sich zu gewissen Angebotserweiterungen entschlossen, «nachdem klassische Kurhäuser zunehmend auch im Wellness-Bereich aktiv wurden und werden». Auf Sauerstofftherapie und fünf Tibeter sei man dabei eher zufällig gestossen, sagt Brüggemann.
Peter Spleiss hingegen, Besitzer der «Gesundheits-Insel» Schloss Steinegg in Hüttwilen TG, steht vorbehaltlos hinter dem Angebot des Hotels. Das ärztlich kontrollierte und modifizierte Vitalfasten zum Beispiel gebe es auf Schloss Steinegg schon seit 99 Jahren.
Die sieben Fasten- und drei Diätaufbau-Tage dienten der Gesundheitsprävention. «Darin eingeschlossen ist nicht nur die körperliche Reinigung, sondern auch die seelischgeistige Regeneration.» Vitalfasten stärke die «ganzheitliche Leistungsfähigkeit» sowie die «körpereigene Abwehr» und aktiviere die «Selbstheilungskräfte».
Gerade fürstlich gehts während der Kur auf Schloss Steinegg in kulinarischer Hinsicht nicht zu. Die Gäste leben von Kräutertees mit Honig, leichten Mittagssuppen, Gemüsesäften, Molke und Ähnlichem.
Dafür können sie in täglichen Gesprächen und Fachvorträgen geistige Nahrung tanken und erhalten auch Gelegenheit, sich zu bewegen. «Wir sind vom ärztlich kontrollierten Präventiv-Fasten absolut überzeugt», bilanziert Peter Spleiss.
Auch Guido Zanoni, Arzt im Wellness-Hotel Cademario TI, verteidigt die Programme seines Hauses. Er unterstreicht zwar, dass man kein Totalfasten mehr anbiete, sondern nur sieben- bis zehntägige Saftkuren. Diese aber trügen dazu bei, den Körper von Überflüssigem zu entlasten und etwas Gewicht zu verlieren. «Das steigert das Wohlbefinden - vorausgesetzt, man unterstützt die Kur durch geistige Animation», macht Zanoni geltend.
Falsch wäre es seiner Ansicht nach, «das Ganze zum Dogma zu machen». Wer verbissen wochenlang faste, nehme zwar nicht zwingend gesundheitlichen Schaden. «Aber ob es was bringt- das ist eine andere Frage.»
Von relativem Wert ist laut Zanoni die Sauerstofftherapie. Sie wirke vitalisierend und fördere die Leistungsfähigkeit, aber diese Effekte seien nicht von Dauer. «Man darf also keine Wunder erwarten», stellt Zanoni klar. Schädlich indes werde die Sauerstofftherapie - «wie fast alles im Leben» - erst dann, wenn man es übertreibe.
Gar keine Einschränkungen macht Margot Kaz, Leiterin des Wellness Clubs im Seehotel Kastanienbaum LU: «Ich bin sicher, dass diese Sauerstoffanwendungen - als Vorbeugung - mir helfen, mein Arbeitspensum aktiv und kraftvoll zu erledigen.»
«Gäste wurden durch Check-ups verunsichert»
Thomas Walser weiss allerdings von anderen Erfahrungen mit Wellness-Angeboten. Der Arzt kennt mehrere Leute, denen es nach Wellness-Ferien schlechter ging als zuvor oder die ihren Aufenthalt aus gesundheitlichen Gründen gar vorzeitig abgebrochen haben - «vor allem, weil man sie durch Check-ups verunsichert oder durch die "Innenwelt-Verschmutzungsbilder" komplett erschüttert hat», so Walser.
Soll man also besser auf Wellness-Ferien verzichten? Das wäre sicher übertrieben. Sinnvoll ist es jedoch, sich vor dem Buchen ein zuverlässiges Bild über die angebotenen Programme zu machen.
Walser empfiehlt folgende Faustregel: «Wirklich gut ist alles, was die Gesundheitskräfte stärkt, diese ins Zentrum stellt - eben gesundheitsorientiert ist.»
Gery Schwager
Wellness-Lexikon: Von Aromatherapie bis Yoga
Aromatherapie
Pflanzliche ätherische Öle dringen mit Hilfe von Bädern, Massagen, Kompressen oder Packungen in die Haut ein und wirken ausserdem über ihren Duft. Lavendel beispielsweise soll beruhigen, Rosmarin beleben, Zitronenmelisse entspannen, Rosenduft Gefühlsschwankungen ausgleichen.
Ayurveda
Uralte indische Heilmethode: Sie soll Körper und Seele entgiften, Energie, Lebensfreude und innere Zufriedenheit spenden.
«Dr. F. X. Mayr»-Kur
Dr. Franz Xaver Mayr entwickelte eine Diätbehandlung mit dem Ziel, den Verdauungsapparat zu schonen, zu entschlacken und zu geregelter Arbeit zu «erziehen». Dies wird durch die Milch-Semmel-Diät in Kombination mit Darmgymnastik, dem Erlernen der Bauchatmung und der ärztlich durchgeführten Darmmassage erreicht.
Fango
Die Tonerde (Fango) in Verbindung mit fliessendem Thermalwasser, Sonnenlicht und Luft regeneriert den ganzen Körper. Ähnliche Wirkung erzeugen Moor- und Schlammerde sowie Kreide, die auch für Schönheitsanwendungen beliebt ist.
Farblichttherapie
Der Körper wird mit farbigem Licht bestrahlt. Diese Therapie soll gegen Alltagsbeschwerden, Hauterkrankungen und psychische Probleme helfen.
Fünf Tibeter
Die fünf Tibeter sind eine einfache Kombination von nur fünf Bewegungsabläufen. Die Körperübungen sollen die Vitalität und das Energieniveau des Körpers steigern. Sie erlangten in den letzten Jahren auch bei uns grosse Popularität. Erfunden und in eine schöne Legende aus Tibet verpackt hat sie einst ein Amerikaner. Ärzte raten vor allem älteren Leuten von diesen Übungen ab.
Qi Gong
Atem- und Meditationsübungen zur Harmonisierung der Energieströme im Körper. Die Chinesen praktizieren Qi Gong zur Erhaltung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit.
Rasulbad
Orientalisches Zeremoniell zur Körperreinigung und -pflege. In unseren Breitengraden wird die Wirkung einer Schlamm- oder Algenpackung durch den Aufenthalt im Dampfbad intensiviert.
Reiki
Alte japanische Heilkunst, welche die Selbstheilungskräfte des Körpers stärken soll. Der Therapeut überträgt mit seinen Händen Heilenergie auf bestimmte Punkte des Körpers. Eine Wirkung soll schon nach der ersten Behandlung spürbar sein.
Sauerstofftherapien
Sauerstoff gibt es in verschiedensten Anwendungsmöglichkeiten: von der Infusion übers Sauerstoff-Einatmen bis hin zum Sauerstoff-Bad.
Sophrologie
Diese Entspannungsmethode basiert auf westlicher Psychologie, Philosophie und verschiedenen fernöstlichen Techniken.
Tai Chi
Das chinesische Schattenboxen sorgt für innere Ausgeglichenheit und Vitalität.
Thalasso
Körperprogramme mit Meerwasserbädern in Verbindung mit Algenbehandlungen üben eine aktivierende biologische Wirkung auf den Organismus aus.
TCM
Abkürzung für «Traditionelle Chinesische Medizin». Zur Therapie gehören Akupunktur, Massagen, Moxibustion (Wärmebehandlung), pflanzliche Medikation, Übungen zur Selbstgesundung, Zungen- und Pulsdiagnostik.
Wellness
Ein spezieller Zustand von hohem menschlichen Wohlbefinden, 1959 vom amerikanischen Arzt Dr. Dunn aus Fitness und Wellbeing kreiert. Körper, Geist und Seele sollen in Einklang gebracht werden. Wellness umfasst zur Hauptsache die drei Bereiche körperliche Bewegung, Entspannung und ausgewogene Ernährung.
Yoga
Ein Körpertraining, mit dem eine Balance zwischen körperlichem und seelischem Wohlbefinden erreicht werden soll. Man verharrt in bestimmten Körperstellungen, während man sich konzentriert und gleichmässig atmet. Das wirkt sich beruhigend auf das Nervensystem aus, hält die Gelenke beweglich, tut dem Rücken und der Haltung gut und kann, wenn man dabeibleibt, auch eine positive Lebenseinstellung vermitteln.