Seit sechs Jahren arbeitet Ilona Sutter (Name geändert) bei einem Geschäftsmann als Privatsekretärin. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag hat sie nie erhalten. Über Lohn, Arbeitszeit und Kündigungsfristen einigte man sich bei Arbeitsbeginn, weitere Punkte wurden gar nicht besprochen. Ilona Sutter arbeitet seither fünf Tage pro Woche und wird im Monatslohn entlöhnt. Zudem organisiert sie für ihren Chef geschäftliche Anlässe, die ihre Anwesenheit oft bis spät in den Abend erfordern.

Bisher hat alles reibungslos funktioniert. In letzter Zeit jedoch muss sie jedem Rappen hinterherspringen. Letzten Monat war sie zum Beispiel zweimal drei Tage krank. Ihr Chef vertritt seit neustem den Standpunkt, dass er ihr den Lohn für diese Krankheitstage nicht bezahlen müsse. Auch weigert er sich, ihr zur Hochzeit ihrer Tochter freizugeben. Ilona Sutter fragt sich deshalb: «Habe ich weniger Rechte, weil ich keinen schriftlichen Vertrag besitze?»


Bei Krankheit besteht Anspruch auf Lohn

Selbstverständlich nicht: Auch ein mündlicher Arbeitsvertrag ist rechtlich verbindlich. Die Abmachungen sind nur schwieriger zu beweisen. Und soweit nichts Konkretes vereinbart wurde, kommt das Gesetz zur Anwendung.

Sollte sich Ilona Sutter mit ihrem Chef über die strittigen Punkte nicht einigen können, kommen auch bei ihr die gesetzlichen Vorschriften zum Tragen. So auch im Falle der Lohnzahlung bei Krankheit. Wer wegen Krankheit oder Unfall nicht arbeiten kann, hat trotzdem für eine gewisse Zeit Anspruch auf Lohn - wie lange, kommt auf die Anstellungsdauer und den Arbeitsort an. Ilona Sutter ist im sechsten Anstellungsjahr und arbeitet in Bern; bei Krankheit erhält sie demnach während maximal drei Monaten den vollen Lohn.


Ferien: Das Gesetz schreibt vier Wochen im Jahr vor

Auch für die abendlichen Überstunden hat sie Geld zugut. Hat man sich nicht auf einen Ausgleich der Überstunden durch Freizeit geeinigt und ist keine anders lautende schriftliche Vereinbarung vorhanden, ist für Überstunden der normale Lohn mit einem Zuschlag von 25 Prozent zu entrichten.

Bezüglich der Hochzeit ihrer Tochter muss der Chef seiner Angestellten von Gesetzes wegen einen freien Tag gewähren. Den Angestellten stehen nämlich die «üblichen freien Stunden und Tage» zur Erledigung persönlicher Angelegenheiten zu (Heirat, Geburt eines eigenen Kindes, Todesfall in der nahen Verwandtschaft, Arzt- und Behördenbesuche, Umzug). Bei der Hochzeit eines Familienmitglieds ist aufgrund der Gerichtspraxis in der Regel ein freier Tag geschuldet.

Über die Lohnzahlungspflicht für die «üblichen freien Stunden und Tage» spricht sich das Gesetz jedoch nicht aus. Trotzdem gilt: Angestellte im Monatslohn haben Anspruch auf den Lohn bei solchen tageweisen Kurzabsenzen, Stundenlöhner nicht.

Als Angestellte im Monatslohn erhält Ilona Sutter also für die Hochzeit ihrer Tochter einen bezahlten Tag frei. Auch über ihren Ferienanspruch braucht sie sich keine Sorgen zu machen. Sofern nichts anderes abgemacht ist, gilt das gesetzliche Minimum von vier Wochen.

Ilona Sutter ist auch geschützt, falls der Chef plötzlich die mündlich abgemachten Kündigungsfristen nicht mehr einhalten will. Laut Gesetz würde dann eine Kündigungsfrist von zwei Monaten gelten, da sie im sechsten Anstellungsjahr steht.


Empfehlenswert: Schriftlicher Arbeitsvertrag

Aus Beweisgründen empfiehlt es sich, Arbeitsverträge stets schriftlich abzuschliessen und die wichtigsten Punkte klar zu regeln. Dazu gehören: die wöchentliche Arbeitszeit, der Lohn, der 13. Monatslohn, die Dauer der Ferien und der Kündigungsfrist. Zudem sollte sich der Betrieb möglichst verpflichten, eine Krankentaggeldversicherung abzuschliessen.



Schutz für Angestellte


- Das Obligationenrecht regelt den Inhalt von Arbeitsverträgen. Per schriftlichen Arbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann teilweise von den gesetzlichen Vorschriften abgewichen werden. Dies meist nur zu Gunsten der Angestellten.

- Das Arbeitsgesetz regelt den Schutz der Beschäftigten bei der Arbeit. Darin enthalten sind Bestimmungen zu Unfallverhütung, Gesundsheitsvorsorge, zulässiger Höchstarbeitszeit und Ruhezeit, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit, Sicherheit am Arbeitsplatz sowie Spezialregelungen für Jugendliche und Frauen.