Neue Berufs-Chance trotz schlechter Noten
Schulabgänger mit schlechten Noten finden nur schwer eine Lehrstelle. So genannte Attest-Ausbildungen, die zwei Jahre dauern, sollen die Berufs-Chancen verbessern.
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Haus & Garten 4/2005
21.09.2005
Pirmin Schilliger
Bei Prüfungen in der Schule war ich jeweils zu nervös - deshalb waren meine Noten nicht gut genug für eine dreijährige Lehre», erklärt Maloku Drenusha, eine Seconda mit albanischen Wurzeln. Sie hat im August ihre zweijährige Attest-Ausbildung zur Detailhandelsassistentin bei der Migros in Oensingen SO begonnen.
Attest-Ausbildungen sind vergleichbar mit den früheren Anlehren. Statt Detailhandelsfachfrau darf sich Drenusha denn auch nur Detailhandelsassistentin nennen.
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Bei Prüfungen in der Schule war ich jeweils zu nervös - deshalb waren meine Noten nicht gut genug für eine dreijährige Lehre», erklärt Maloku Drenusha, eine Seconda mit albanischen Wurzeln. Sie hat im August ihre zweijährige Attest-Ausbildung zur Detailhandelsassistentin bei der Migros in Oensingen SO begonnen.
Attest-Ausbildungen sind vergleichbar mit den früheren Anlehren. Statt Detailhandelsfachfrau darf sich Drenusha denn auch nur Detailhandelsassistentin nennen.
Schneidet sie aber dereinst beim Attest-Abschluss mit guten Noten ab, kann die junge Seconda ins 2. Lehrjahr einer Ausbildung zur Detailhandelsfachfrau einsteigen. «Wenn sich diese Chance eröffnet, möchte ich mich auf jeden Fall weiterbilden», sagt Drenusha.
Detailhandelsassistentin ist eine von vier seit August 2005 definitiv eingeführten Attest-Ausbildungen (siehe S. 70). Rund zwei Dutzend weitere dieser neuen Berufslehren befinden sich derzeit in der Pilotphase.
Rund 2500 Jugendliche stecken in der entsprechenden Ausbildung oder haben bereits eine Pilotlehre mit dem Attest-Zertifikat abgeschlossen, so wie Florian Odermatt aus Steinhuserberg LU. «Ich war in der Schule kein Held. Für eine dreijährige Lehre hätte mein Zeugnis nie gereicht», gibt er unumwunden zu. Kürzlich hat er aber sein Attest als Milchpraktiker erhalten und sofort eine Stelle in einer Käserei gefunden.
«Die Wirtschaft will möglichst qualifizierte Jugendliche»
Die neuen Attest-Lehren sind auf Schulabgänger abgestimmt, die aufgrund von Lernschwierigkeiten oder aus anderen Gründen keine drei- oder vierjährige Berufslehre absolvieren können. Vor allem für Kinder von Fremdsprachigen wird wegen sprachlicher Lücken und entsprechend schlechter Noten die Suche nach einer Lehrstelle häufig zum Spiessrutenlaufen.
«An der Schnittstelle zwischen der Realschule und der obligatorischen Berufslehre gibt es viele kritische Fälle, denn die Wirtschaft will heute möglichst qualifizierte Jugendliche», sagt Robert Galliker, Sekretär der Schweizerischen Berufsbildungsämterkonferenz (SBBK).
Die Zahlen sind deutlich: Während vier Fünftel der Schweizer Jugendlichen problemlos eine Lehrstelle finden, liegt die Erfolgsquote bei den ausländischen Jugendlichen bei nur 56 Prozent. Galliker hofft, dass nun durch die Attest-Ausbildungen eine spezielle Plattform entsteht, welche die vielen kritischen Fälle aufzufangen vermag.
Guter Attest-Abschluss - und dann in die normale Lehre
Die Attest-Ausbildungen vermitteln eine anerkannte Qualifikation. Die Experten sehen darin nicht etwa eine abgespeckte Lehre, sondern eine aufgewertete und standardisierte Anlehre.
Ambitionierte Absolventen mit gutem Abschluss können später in die normale drei- oder vierjährige Grundausbildung der entsprechenden Berufssparte wechseln. Beispiel: An der Technischen Berufsschule Zürich (TBZ), sagt Alfred Rüegg, Leiter der Automobiltechnik, seien fünf Fahrzeugwarte nach dem Attest-Abschluss ins zweite Lehrjahr für Automonteure eingetreten. Sie können sich so zum Automonteur - in vier statt drei Jahren - und zum Automechaniker - in sechs statt vier Jahren - weiterbilden.
Offen bleibt, wie die Attest-Ausbildungen auf dem Stellenmarkt ankommen. «Es sind neue, eigenständige Berufe, bei denen es sich weder um eine aufgewertete Anlehre noch um eine nivellierte Berufslehre handelt», stellt Daniel Duttweiler vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) klar. Er erwartet, dass die Wirtschaft bereit ist, «Attest-Ausgebildete» besser zu entlöhnen als Angelernte oder Hilfskräfte.
Eine Studie des BBT stimmt hoffnungsvoll: Jeder dritte Jugendliche wurde nach dem Attest-Abschluss im Lehrbetrieb weiterbeschäftigt. 13 Prozent der Jugendlichen begannen sogar sofort mit einer Weiterbildung.
Kein Ausbildungsweg für demotivierte Jugendliche
Um die Attest-Lehren in der Wirtschaft und bei den Jugendlichen bekannt zu machen, setzen diverse Kantone gezielt Lehrstellenförderer ein. Alfred Rüegg weist in diesem Zusammenhang auf eine gewisse Gefahr hin: «Es wäre verfehlt, diesen Ausbildungsweg einfach jenen bequemen oder demotivierten Jugendlichen zu empfehlen, denen eine normale Lehre zu anstrengend erscheint.»
Attest-Lehre: Jedes Jahr kommen weitere Berufe dazu
Detailhandelsassistent, Hotellerie-, Küchen- und Restaurationsangestellte: Das sind die ersten vier seit August 2005 definitiv eingeführten Attest-Ausbildungen in der Schweiz. In den nächsten zwei Jahren kommen laufend weitere dazu.
Ab 2006: Hauswirtschafts-, Milch- und Reifenpraktiker, Seilbahner, Büro- und Automobil-Assistent, Schreiner-Attest, Gemüsebau-, Logistik- und Metallbaupraktiker.
Ab 2007: Basis-Polybauer, Floristen-Attest, Kunststofftechnologe-Attest, Landwirtschaftlicher Mitarbeiter mit Attest und Lebensmittelpraktiker.
Ab 2008 folgen voraussichtlich: Maschinenführer, Metzgerei-Assistent, Pferdewart und Verkehrswegbauer mit Attest.
Zu allen geplanten Attest-Berufen werden im Rahmen von Pilotprojekten bereits die entsprechenden Lehren angeboten.
Weitere Informationen
- www.berufsbildungsreform.ch Informationen zur zweijährigen Grundausbildung.
- www.sbbk
Dokumentation von zwei Jahre dauernden Projekten, Links zu den kantonalen Berufsbildungsämtern.
- www.sibp.ch
Pädagogische Begleitung von Reformprojekten.
- www.dbk.ch
-> Links -> Berufsbildungsämter
- www.bbt.admin.ch
Website des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie mit zahlreichen nützlichen Hinweisen zum Thema.