Die Verhütungspille Qlaira kam vor rund vier Jahren auf den Markt. Hersteller Bayer pries sie als «natürliche Pille» an. Sie enthält ein Hormon, das sich im Körper zum natürlichen Östrogen umwandeln soll. Zudem enthält sie das neuartige Verhütungshormon Dienogest.
Doch jetzt stellt sich heraus: Die Pille ist nicht so natürlich wie die Marketing-Experten den Frauen damals weismachen wollten. Mehr noch, die Risiken sind höher als bei den meisten anderen Pillen. Das zeigt eine noch unveröffentlichte Studie des Gynäkologen Øjvind Lidegaard vom Rigshospitalet-Krankenhaus in Kopenhagen, die er kürzlich an einer internationalen Konferenz präsentiert hat. Wer Qlaira schluckt, hat ein fünffach erhöhtes Risiko, ein Blutgerinnsel zu bekommen, verglichen mit Frauen, die keine Hormone zum Verhüten nehmen. Blutgerinnsel können ins Hirn wandern und dort einen Schlaganfall auslösen oder in der Lunge eine Embolie.
Lidegaard filterte aus zwei dänischen Gesundheitsregistern über anderthalb Millionen Patientinnen heraus, die bereits ein Blutgerinnsel hatten. Dann schaute er nach, welche Antibaby-Pille sie benutzten. Dabei stellte er fest:
- Von 100 000 Frauen, die ein Jahr lang Qlaira einnahmen, erlitten 47 eine Venenthrombose.
- Bei jenen Frauen, die ohne Hormone verhüteten, erlitten nur zehn eine Thrombose.
Das Risiko für ein Blutgerinnsel ist damit bei Qlaira etwa gleich gross wie bei Pillen, die neben Östrogen als zweiten Wirkstoff Drospirenon, Desogestrel oder Gestoden enthalten (siehe Tabelle). Dazu gehören auch Yasmin oder Yasminelle. Sie kamen in den letzten Jahren massiv in die Kritik. Sie müssen seit 2010 wegen der Thrombosegefahr einen Warnhinweis tragen. Für andere neue Pillen wie Zoely, Balara oder Ladonna gibt es noch immer keine Daten. Allerdings weisen neuere Studien darauf hin, dass diese Pillen zu Zwischenblutungen, Stimmungsschwankungen und Akne führen können.
Bei den Pillen mit neuen Verhütungshormonen – sogenannten Gestagenen – steigt das Risiko für Thrombose, je mehr sie vom andern Hormon enthalten, dem Östrogen. Das Risiko steigt ab 30 Mikrogramm Östrogen deutlich an. Das zeigt eine Untersuchung von Olaf Dekkers vom medizinischen Zentrum der Universität Leiden in den Niederlanden. Er veröffentlichte sie kürzlich im Fachblatt «British Medical Journal». Dekkers prüfte über zwei Dutzend Studien über die am häufigsten verschriebenen Östrogen-Gestagen-Kombinationen.
Unzureichende Daten zu den neuen Pillen
Etzel Gysling, Arzt in Wil SG und Herausgeber des unabhängigen Fachblatts «Pharma-Kritik», rät daher von den neuen Verhütungspillen ab. Die Daten zu den Risiken seien unzureichend. Er empfiehlt Frauen Pillen mit Levonorgestrel und wenig Östrogen. Dazu gehören zum Beispiel Elyfem, Miranova oder Ologyn. Auch in der Studie des dänischen Forschers Lidegaard schnitten diese Pillen am besten ab.
Lidegaard rät Frauen über 30 Jahren zur Hormonspirale Mirena. Sie enthält nur Levonorgestrel und erhöhte in seiner Studie das Risiko für Blutgerinnsel nicht. Allerdings berichteten viele Frauen dem Gesundheitstipp über andere Nebenwirkungen wie Akne, Depression und Schmerzen (siehe Ausgabe 11/06). Levonorgestrel kann zudem zu fettiger Haut oder vermehrter Körperbehaarung führen.
Das deutsche Pharmaunternehmen Bayer, Hersteller von Qlaira, schreibt dem Gesundheitstipp, jede mit Östrogen kombinierte Antibabypille erhöhe das Risiko für Blutgerinnsel: «Diese schweren, aber seltenen Nebenwirkungen sind bekannt.» Das würde Bayer auf dem Beipackzettel ausführlich beschreiben. Es bestehe in der Wissenschaft aber keine Einigkeit darüber, ob die verschiedenen Gestagene zu einem unterschiedlich hohen Risiko von Thrombosen führen.