Vor kurzem bekam saldo-Leserin F.R. aus Zürich das Mittel Tecfidera verschrieben, das bei multipler Sklerose neue Schübe verhindern soll. Die 55-jährige langjährige MS-Patientin verglich die Preise und sah, dass eine Wochendosis in Deutschland umgerechnet 130 Franken kostet, Schweizer Apotheken hingegen 482 Franken verlangen. Sie ärgert sich über die «horrenden Schweizer Preise auf Kosten von Patienten und Prämienzahlern».
Laut Gesetz müssen Krankenversicherer im Ausland gekaufte rezeptpflichtige Medikamente nur im Notfall vergüten (siehe Kasten). Der Pharmalobby in Parlament und Regierung ist es gelungen, den Schweizer Medikamentenmarkt gegen Konkurrenz aus dem Ausland abzuschotten. Die Gesetze untersagen aus dem gleichen Grund den Import patentgeschützter Originalpräparate. Kein Wunder, kommen viele Medikamente die Patienten in Schweizer Apotheken teurer zu stehen als im nahen Ausland. Der Preisüberwacher hat vor kurzem die Preise von zwanzig Wirkstoffen der Novartis-Tochter Sandoz mit den Preisen in 15 Ländern verglichen. Ergebnis: Die Schweizer Preise sind im Durchschnitt doppelt so hoch.
Import erst nach Patentablauf erlaubt
Erlaubt ist nur der Import von Medikamenten, deren Patent abgelaufen ist. 2007 kamen erste Importpräparate in die Apotheken. Die «Neue Zuger Zeitung» titelte, dass die «Preise ins Rutschen kommen». Die Realität sieht anders aus. Zurzeit ist nur ein Importeur aktiv. APS Arzneimittel in Cham ZG importiert nach eigenen Angaben zwölf Originalpräparate mit einem Gesamtumsatz von 600 000 Franken. Vier Präparate müssen die Kassen vergüten: das Antibiotikum Ciproxin, das Antidepressivum Fluctine, das Produkt Lasix gegen Ödeme und Motilium, das bei Verdauungsstörungen helfen soll. Der Spareffekt für die Kassen dürfte bei ein paar Tausend Franken pro Jahr liegen.
Einsparungen von bis zu 240 Millionen Franken wären möglich, wenn Apotheker und Ärzte stets preisgünstige Parallelimporte abgäben: Die Krankenkassen erstatteten im letzten Jahr in der Grundversicherung über 1,6 Milliarden Franken für patentabgelaufene Medikamente. Und APS verkauft Importpräparate mindestens 15 Prozent günstiger als Schweizer Originale. So kostet das krampflösende Importmedikament Buscopan bei der Winterthurer Adler-Apotheke pro Dragée 49 Rappen. Für Schweizer Buscopan zahlt man 62 Rappen – 25 Prozent mehr.
Hürden für Importmedikamente abbauen
Für Andreas Schiesser vom Krankenkassenverband Santésuisse ist klar, dass «bürokratische Hürden den Wettbewerb verhindern». Zum Beispiel müssen Importeure die Ware bei Swissmedic registrieren lassen und umpacken.
In Deutschland sparen die Krankenkassen viel Geld mit Parallelimporten. Die Einfuhr von patentgeschützten Originale ist erlaubt. Apotheken müssen gar 5 Prozent des Umsatzes mit Importmedikamenten machen, die 15 Prozent günstiger sein müssen als die deutschen Originale.
Die Krankenversicherer sparten so laut dem Wissenschaftlichen Institut der AOK, der grössten deutschen Krankenkasse, letztes Jahr 340 Millionen Franken. Der Verband der Arzneimittel-Importeure Deutschlands schätzt die indirekten Einsparungen durch den preisdämpfenden Effekt der Importe auf weitere 3,2 Milliarden Franken.
Für Andreas Schiesser gibt es ein einfaches Mittel gegen hohe Schweizer Medikamentenpreise: «Wir brauchen mehr Parallelimporte. Und die Kassen müssen günstigere Medikamente aus dem Ausland vergüten dürfen.»
Manche Kassen vergüten Auslandeinkäufe
Patienten sollten bei ihrer Krankenkasse nachfragen, ob sie im Ausland gekaufte Medikamente vergütet. Unter anderem erstatten die Helsana, CSS und Swica die Medikamentenkosten in der Grundversicherung unter drei Voraussetzungen: Der Versicherte kann ein Rezept eines in der Schweiz zugelassenen Arztes vorlegen, das Präparat ist kassenpflichtig und es kostet im Ausland weniger als in der Schweiz.
Für Patienten mit einer hohen Franchise lohnt sich der Kauf von rezeptpflichtigen Medikamenten im Ausland, solange ihre gesamten Medikamenten- und Arztkosten im laufenden Jahr noch unter ihrer Franchise-Obergrenze bleiben.