Versteckte Preisaufschläge
Weniger Inhalt, aber gleicher Preis. Gleiche Stückzahl, aber etwas weniger Gewicht: Produzenten und Händler sind kreativ, wenn es darum geht, Preiserhöhungen zu verbergen.
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K-Tipp 16/2012
28.09.2012
Letzte Aktualisierung:
02.10.2012
Darko Cetojevic
Preissenkungen hängen Händler und Hersteller jeweils an die grosse Glocke: In Inseraten und Zeitungsbeilagen wimmelt es dann nur so von «Preisen im Minus», «vorgezogenen Bescherungen», «Qualität zu Discountpreisen», «Marken in Aktion» oder «Preisen auf Tauchstation».
Bei Preiserhöhungen dagegen ist es genau umgekehrt: Weil Hersteller und Verkäufer wissen, dass die Kunden als Reaktion darauf au...
Preissenkungen hängen Händler und Hersteller jeweils an die grosse Glocke: In Inseraten und Zeitungsbeilagen wimmelt es dann nur so von «Preisen im Minus», «vorgezogenen Bescherungen», «Qualität zu Discountpreisen», «Marken in Aktion» oder «Preisen auf Tauchstation».
Bei Preiserhöhungen dagegen ist es genau umgekehrt: Weil Hersteller und Verkäufer wissen, dass die Kunden als Reaktion darauf auf günstigere Produkte ausweichen, greifen sie gerne in die Trickkiste. Ein beliebtes Verfahren dabei: Die Portionen werden kleiner, der Preis aber bleibt gleich. Und da die meisten Kunden nur auf den Preis achten, merken sie nicht, dass die Menge geschrumpft ist.
Deshalb hat der K-Tipp in einer Stichprobe bei Grossverteilern und Warenhäusern für mehrere Produkte abgeklärt, wie sich deren reale Preise seit 2006 verändert haben. Das Resultat: Es gibt verschiedenen Methoden, um Preiserhöhungen zu verschleiern:
1. Neue Verpackung, weniger Inhalt, höherer Preis
Beispiel Coop: Die Clearasil-Ultra-akut-Anti-Bibeli-Creme hatte im Jahr 2006 30 ml Inhalt. Sie kostete Fr. 14.90. Der Inhalt schrumpfte bis heute um die Hälfte auf 15 ml, der Preis aber stieg auf Fr. 15.70. Pro Milliliter kostet die Creme jetzt also mehr als das Doppelte.
Hersteller Reckitt Beckinser erklärt, die Rezeptur sei verändert worden.
2. Die Portion wächst, der Preis noch mehr
Beispiel Migros: 2006 kostete die Pizza Anna’s Best Prosciutto Fr. 5.20 und wog 360 g. Heute ist sie 380 g schwer – das sind 5,6 Prozent mehr. Der Preis machte aber einen noch grösseren Sprung, und zwar um 32,7 Prozent auf Fr. 6.90. Das ist ein Preisaufschlag von fast 26 Prozent.
Rechtfertigung der Migros: Die heutige Anna’s-Best-Pizza Prosciutto sei nicht vergleichbar mit der früheren: «Bodenqualität und Belag wurden komplett überarbeitet und die sensorischen Merkmale signifikant verbessert.»
3. Weniger drin, tieferer Preis unddennoch teurer
Beispiel Manor: Das Gewicht der Palmolive-Seife Naturals sank seit 2006 von 120 auf 90 Gramm, also um einen Viertel. Der Preis ging jedoch nur um etwa 10 Prozent zurück – von Fr. 1.40 auf Fr. 1.25. Er sank also nicht im gleichen Mass wie die Menge. Das bedeutet: Pro Gramm kostet die Seife heute 19 Prozent oder rund ein Fünftel mehr.
Rechtfertigung von Hersteller Palmolive: Wegen höherer Herstellungskosten seien Menge und Preis für den Handel reduziert worden. Damit wird der Schwarze Peter an die Verkäufer weitergereicht. Manor beteuert allerdings, die Einkaufspreissenkung «zu 100 Prozent an die Kunden weitergegeben» zu haben.
4. Weniger drin, gleicher Preis
Beispiel Coop: Die Enthaarungscreme Veet Sensible Haut kostete 2006 Fr. 9.90 und wog 125 Gramm. Inzwischen ist die Creme nur noch 100 Gramm schwer – der Preis aber blieb gleich. Preisaufschlag: 25 Prozent, also ein Viertel.
Hersteller Reckitt Be-ckinser rechtfertigt sich: Die Enthaarungscreme basiere heute auf einer neuen Formel.
5. Gleiche Preise, gleiche Stückzahl, aber weniger Gewicht
Beispiel Nestlé: In der neuen wie in der alten Packung von Dolce-Gusto-Kaffeekapseln Café au lait von Nescafé hat es 16 Kapseln. Auch der Preis ist mit Fr. 6.60 unverändert. Allerdings reichte eine Kapsel damals für 200 Milliliter Kaffee – heute nur noch für 180 ml, weil Nestlé die Kapseln mit weniger Kaffee befüllt. Damit verteuert Nestlé die Dolce-Gusto-Kaffeekapseln faktisch um 11 Prozent.
Nestlé bestreitet diesen Preisaufschlag nicht. Weshalb der Aufschlag heimlich erfolgte, darauf lieferte das Unternehmen dem K-Tipp aber keine Antwort.