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Gesundheitstipp 4/2000
31.03.2000
Patienten könnten Medikamente oft länger verwenden.
Das "EXP"-Datum auf Medikamenten ist nur ein Verkaufsdatum. Konsumenten wissen so nicht, wie lange sie ein "abgelaufenes" Mittel noch einnehmen dürfen. Ärzte fordern jetzt auch ein Verbrauchsdatum.
Plötzlich bekommt Petra K. Fieber und Schmerzen. Im Schrank findet sie noch Medikamente. Auf der Packung stehen "EXP" und ein Datum. Petra K. weiss, dass "Expiry date" Ablaufdatum heisst. Soll sie jetzt die Pillen f...
Patienten könnten Medikamente oft länger verwenden.
Das "EXP"-Datum auf Medikamenten ist nur ein Verkaufsdatum. Konsumenten wissen so nicht, wie lange sie ein "abgelaufenes" Mittel noch einnehmen dürfen. Ärzte fordern jetzt auch ein Verbrauchsdatum.
Plötzlich bekommt Petra K. Fieber und Schmerzen. Im Schrank findet sie noch Medikamente. Auf der Packung stehen "EXP" und ein Datum. Petra K. weiss, dass "Expiry date" Ablaufdatum heisst. Soll sie jetzt die Pillen fortwerfen?
Apotheker und Hersteller freut es, wenn Konsumenten neue Pillen kaufen. Die Krankenkassen rechnen, dass jedes Jahr Medikamente im Wert von einer halben Milliarde Franken im Müll landen.
Doch wegen des "EXP"-Datums wäre dies häufig nicht nötig. "EXP" heisst nämlich nicht, dass die Haltbarkeit eines Mittels abgelaufen ist. Es bedeutet nur, dass es Apotheken oder Drogerien nach diesem Datum nicht mehr verkaufen dürfen. Es handelt sich also um ein Verkaufsdatum.
Bis zum aufgedruckten "EXP"-Verkaufsdatum garantieren die Hersteller, dass mindestens 90 Prozent der Wirkstoffe noch vorhanden sind und keine schädlichen Nebenprodukte entstehen. Doch wie schnell bauen sich die Wirkstoffe nach diesem Datum ab?
Der Puls-Tip hat drei Hersteller von Schmerzmitteln mit dem Wirkstoff Paracetamol gefragt, ob ihre Pillen nach dem "EXP"-Datum nicht mehr wirksam oder gar gesundheitsschädlich sind.
° Die Firma Janssen-Cilag AG schreibt, bei Tylenol könne sie den "vorgeschriebenen Gehalt an aktivem Wirkstoff nicht mehr gewährleisten und der Gehalt an Zersetzungsprodukten kann die vorgegebenen Limiten überschreiten".
° Die Firma Upsamedica meint zu Dafalgan lapidar: Das "EXP"-Datum "muss man respektieren".
° Anders die Milupa SA. Sei das "EXP"-Datum von benuron überschritten, drohe keine Gefahr: "Erst nach einer Lagerzeit von deutlich über fünf Jahren nimmt die Wirkung sehr langsam ab, eine schädliche Wirkung ist jedoch nicht zu befürchten."
Seltsam: Tylenol, Dafalgan und benuron enthalten alle den gleichen Wirkstoff Paracetamol. Und: Apotheken dürfen diese Schmerzmittel bis zum "EXP"-Datum verkaufen. Unverständlich, wenn sie nachher nicht mehr wirken würden. Medikamenten-Spezialist Peter Meier-Abt, Professor am Zürcher Unispital, hat selber schon abgelaufene Paracetamol Tabletten geschluckt. Ohne negative Folgen. Er ging das Risiko ein, durch mögliche Zerfallsprodukte Unannehmlichkeiten zu erleiden: "Auftreten könnten Allergien, die sich in Hautausschlägen äussern. Asthmakranke könnten vorübergehend Mühe haben mit dem Atmen."
Doch bei vielen Medikamenten aus der Hausapotheke ist ein überschrittenes Verkaufsdatum kein Problem. Etzel Gysling, Herausgeber der Zeitschrift "pharmakritik", sagt: "In den meisten Fällen würde ich nicht zögern, solche Tabletten zu schlucken." Er kenne kein Schmerz-, Rheuma- und Schlafmittel, das nach dem Verkaufsdatum zu gefährlichen Nebenwirkungen führt: "Die von den Herstellern erwähnten Zersetzungsprodukte sind mir unbekannt."
Allerdings: Bei Antibiotika und lebenswichtigen Medikamenten wie Insulin rät Markus Fritz von der Medikamenten-Informationsstelle SMI, das "EXP"-Datum vorsichtshalber immer einzuhalten.
Etzel Gysling verlangt an Stelle des "EXP"-Datums ähnliche Daten wie in der Lebensmittelindustrie: "Neben einem letzten Verkaufsdatum sollte auch eine vernünftige Frist genannt werden, in der das Medikament - normale Aufbewahrung vorausgesetzt - noch verwendet werden kann." Neben dieser Angabe "mindestens haltbar bis" fordert Gysling auf der Packungsbeilage Angaben, ob das Medikament nach Ablauf dieses Datums gesundheitsschädlich wird oder bloss nicht mehr so wirksam ist. Peter Meier-Abt unterstützt diese Forderung: "Die Leute müssten dann weniger Medikamente fortwerfen."