Die Hautkrankheit kostete Julian fast das Leben
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Gesundheitstipp 9/2002
01.09.2002
Gegen Neurodermitis scheint die Schulmedizin machtlos. Auch neue Behandlungsansätze enttäuschen in der Praxis. Anders die Homöopathie. Sie verzeichnet bei Patienten Erfolge - auch bei Julian: Er hat heute viel weniger Allergien.
Regula Schneider rschneider@pulstipp.ch
Mit vier Monaten wäre Julian Holland fast erstickt. «Er lag auf dem Wickeltisch und atmete plötzlich nicht mehr», erzählt seine Mutter Lisa Holland aus Fehraltdorf ZH. Als der Notfallwagen kam,...
Gegen Neurodermitis scheint die Schulmedizin machtlos. Auch neue Behandlungsansätze enttäuschen in der Praxis. Anders die Homöopathie. Sie verzeichnet bei Patienten Erfolge - auch bei Julian: Er hat heute viel weniger Allergien.
Regula Schneider rschneider@pulstipp.ch
Mit vier Monaten wäre Julian Holland fast erstickt. «Er lag auf dem Wickeltisch und atmete plötzlich nicht mehr», erzählt seine Mutter Lisa Holland aus Fehraltdorf ZH. Als der Notfallwagen kam, lief das Kind bereits blau an.
Der Grund: Dicker Schleim verstopfte die Atemwege. Es gelang den Ärzten gerade noch rechtzeitig, den Schleim abzusaugen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Neurodermitis ihren Höhepunkt erreicht. Die Haut des Jungen war tiefrot und so stark entzündet, dass sie nässte. Julian kratzte sich nächtelang blutig.
Heute ist der Bub acht Jahre alt. Die Krankheit begleitet ihn schon, seit er sechs Wochen alt ist. Damals bildete sich das Ekzem am Hals und breitete sich dann über Gesicht und Körper aus. Hinzu kam eine Nahrungsmittel-Unverträglichkeit. Als Neugeborener spuckte Julian die Muttermilch immer wieder aus. Die Ärzte empfahlen Lisa Holland, möglichst lange zu stillen.
Sie ass ahnungslos Joghurt, Käse und Milchprodukte und tat damit genau das Falsche. Was sie erst später erfuhr: Julian verträgt kein tierisches Eiweiss. Teilchen davon gelangen über die Milchdrüse in die Muttermilch. Heute glaubt Holland, dass der Erstickungsanfall durch tierisches Eiweiss ausgelöst worden war. «Julian war gerade geimpft worden und der Impfstoff war voller solcher Eiweisse.» Der Hautarzt verschrieb dem Baby Kortison. Doch das Medikament linderte die Symptome jeweils nur kurz. «Von Heilung konnte keine Rede sein», sagt Holland.
Dermatologen betonen, dass sich ihre Behandlung nicht auf lokales Kortison beschränkt. Dazu gehörten auch lokales Antibiotika, rückfettende Cremen, UV-Strahlen sowie psychologische Beratungen. «Wir als Spezialisten bemühen uns, in jedem Einzelfall zu erkennen, welche Faktoren die Krankheitsschübe auslösen, und diese nach Möglichkeit auszuschalten», sagt Professor Brunello Wüthrich, Leiter der Allergiestation am Universitätsspital Zürich.
Immer wieder setzen Wissenschaftler grosse Hoffnung in neue Medikamente. Jüngstes Beispiel dafür ist der hochgejubelte Wirkstoff Tacrolimus, der seit April dieses Jahres als Protopic-Salbe auf dem Markt ist. Laut Brunello Wüthrich kann man damit «dramatische Verbesserungen» erzielen. Der Wirkstoff soll langfristig Entzündungen und Juckreiz verhindern. Dies auch bei schwerer Neurodermitis und ohne grosse Nebenwirkungen.
Arzneimittelbehörde rät: Protopic nicht anwenden
Doch jetzt zeigt die Praxis: Protopic wirkt nicht besser als herkömmliche Kortisonsalben. Dies berichtet die Medikamentenkritische Fachzeitschrift «Arznei-Telgramm». Die Wirkung von Tacrolimus halte nach Absetzen des Medikaments nicht lange an. Zudem steht die Salbe im Verdacht, krebsfördernd zu wirken und abhängig zu machen. Das «Arznei-Telegramm» und die europäische Zulassungsbehörde für Arzneimittel raten ab, die Salbe zu gebrauchen.
Der Hersteller Fujisawa AG widerspricht diesen Vorwürfen. Durch das Medikament sei ein erneuter Krankheitsschub frühzeitig beherrschbar. Deshalb sei es möglich, starke Schübe über lange Zeit zu verhindern. Auch sei in keiner Weise belegt, dass Protopic nach dem Absetzen noch stärkere Schübe hervorrufe, abhängig mache oder krebserregend sei. «Es hat zum Zeitpunkt der Zulassung noch kein besser geprüftes und damit sichereres Produkt gegeben», schreibt die Fujisawa AG dem Puls-Tipp.
Schlechte Erfahrungen mit medizinischen Salben machte auch Peter Schmidt. Der 35-Jährige leidet seit seiner Geburt an Neurodermitis. Die Ekzeme waren am ganzen Körper, er kratzte sich nächtelang blutig. Später kamen starkes Asthma und Allergien dazu. «Es gibt keine Pollenart, gegen die ich nicht allergisch bin.»
Über Jahre hinweg versuchte Peter Schmidt vergeblich, seine Krankheit in den Griff zu kriegen. «Ich probierte es mit Hautsalben auf Kortisonbasis, Antibiotika und Antihistaminen. Nichts half langfristig.» Sein Fazit: «Von solchen Mitteln profitiert nur die Pharmaindustrie.»
Auch der Homöopath Urs Maurer aus Baar ZG hält grundsätzlich nichts von solchen Salben. «Die Gefahr, dass die Krankheit unterdrückt wird und sich dann einen anderen Weg sucht, ist zu gross.»
Maurer behandelt den kleinen Julian Holland seit Jahren mit verschiedenen Mitteln der klassischen Homöopathie. Sie sind immer genau auf die Verfassung des Kindes abgestimmt.
Ziel der Behandlung ist, die Psyche und das Immunsystem widerstandsfähig zu machen. «Neurodermitis ist eine nervlich bedingte Hautkrankheit, die nicht lokal zu behandeln ist», sagt Maurer. Ursache und Auslöser der Krankheit seien bei jedem Betroffenen anders. «Man muss die gesamten Lebensumstände eines Patienten in die Behandlung mit einbeziehen.»
Bei Julian zeigt die Homöopathie guten Erfolg. Krankheitsschübe treten heute nur noch selten auf. Doch damit ist die Leidensgeschichte des Kindes nicht abgeschlossen. Seit drei Jahren hat es Asthma, das sich vor allem dann zeigt, wenn der Junge emotional aufgewühlt ist. Auch Pollen und Tierhaare können das Asthma auslösen. «Julian hustet dann stark», sagt Lisa Holland. Das Asthma führe aber nicht zu Atemnot. Die homöopathischen Mittel sowie Zitronenthymian-Tee und Kräuter-Hustensirup bewirken, dass sich der Husten bald wieder legt. Holland achtet darauf, dass ihre beiden Kinder keinen Zucker essen. Denn Jenny, die sechsjährige Schwester von Julian, hat auch Neurodermitis.
Zucker und Mais können die Neurodermitis verschlimmern
Mittlerweile hat Peter Schmidt ebenfalls seine Methode, die Krankheit zu bekämpfen: Vitamin B und Joghurt. «Ein grosses Problem bei Neurodermitis sitzt im Darm, denn dort sind viele immunaktive Zellen angesiedelt», erklärt Naturarzt und Apotheker Dominik Saner aus Laufen BL. Wenn die Darmflora nicht im Gleichgewicht sei, könne sie die B-Vitamine, die für den Stoffwechsel von Haut und Nerven zuständig sind, nicht mehr richtig aufnehmen. Es entstehe ein Mangel.
Nahrungsmittel wie Zucker und Mais würden den Vitamin-B-Anteil im Körper zusätzlich abbauen. «Die Enzyme, die in Joghurt oder Molke enthalten sind, helfen dem Darm, die B-Vitamine wieder aufzunehmen», sagt Saner. Vorher sei abzuklären, ob man Kuhmilch vertrage. Vielen Patienten würde dieser Therapieansatz helfen. Verallgemeinern könne man das aber nicht.
Die Krankheit verläuft bei jedem Betroffenen anders. Ebenso steht es mit den Heilungschancen. «Bei vielen Patienten verbessern sich die Symptome über eine gewisse Zeit sehr stark», sagt Urs Maurer. Weitere Krankheitsschübe seien trotzdem möglich. «Selbst wenn sich der Zustand der Haut gebessert hat, bedeutet das nicht unbedingt, dass die Krankheit geheilt ist. Denn sie hängt mit der Gesamtkonstitution eines Menschen zusammen.»
Tipps: Das hilft gegen den Juckreiz
Probieren Sie alle Anwendungen immer zuerst auf einer kleinen Hautfläche aus und beobachten Sie, wie die Haut reagiert. Versuchen Sie Folgendes:
- Waschungen mit verdünntem Essig
- Umschläge aus Speisequark
- Aprikosenkernenöl
- Jojobaöl
- Nachtkerzenöl
- Borretschöl-Kapseln
- Verwenden Sie keine Cremes, die Wollfett enthalten, wenn Sie auf Schafmilch allergisch sind
- Ätherische Öle sind verboten - sie reizen sogar gesunde Haut
- Informationen www.dr-walser.ch/neuroderm.htm, www.neurodermitis.ch
- Klassische Homöopathie: Heidi Grollmann, Urs Maurer «Klassische Homöopathie verstehen», Groma Verlag, Fr. 19.-, www.groma.ch