Teure Massenabfertigung
Sieben Schüler auf engstem Raum - und die Gasteltern schlafen in der Garage. Sprachaufenthalte sind teuer - doch geboten wird manchmal wenig.
Inhalt
saldo 14/2003
10.09.2003
Silvia Baumgartner
Mehr als ein Sprachkurs», wirbt die «weltweit grösste Sprachschule» EF auf ihrer Homepage. Für Thomas Müller aus Cernier NE sind das nichts als leere Versprechen. Der 16-Jährige ist sauer: Er steckte sein mühsam erspartes Geld in eine dreiwöchige EF-Sprachreise nach Torquay (GB). Doch der 2800 Franken teure Aufenthalt wurde zum Flop: «Wir waren zu dritt in einem 15 Quadratmeter grossen Zimmer. Die Gasteltern schliefen in der Garage, ihr Sohn auf dem Sofa im Wohnzimmer.»
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Mehr als ein Sprachkurs», wirbt die «weltweit grösste Sprachschule» EF auf ihrer Homepage. Für Thomas Müller aus Cernier NE sind das nichts als leere Versprechen. Der 16-Jährige ist sauer: Er steckte sein mühsam erspartes Geld in eine dreiwöchige EF-Sprachreise nach Torquay (GB). Doch der 2800 Franken teure Aufenthalt wurde zum Flop: «Wir waren zu dritt in einem 15 Quadratmeter grossen Zimmer. Die Gasteltern schliefen in der Garage, ihr Sohn auf dem Sofa im Wohnzimmer.»
Die Schweizer EF-Verantwortliche Iris Hormann hat wenig zu entgegnen: «Die Familie wurde von unserer Koordinatorin überprüft und als gut eingestuft.» Während EF in ihrem Prospekt angibt, dass maximal vier Schüler in einer Familie untergebracht sind, weiss Thomas: «Meine Familie beherbergte sieben Schüler - vier von EF und drei von anderen Organisationen.» Sieben Schüler in einer Familie. Wo bleibt da der von EF viel gepriesene Familienanschluss?
Philipp Zbinden, Geschäftsführer der Schweizer Sprachreisezentrale, ist empört über diesen Fall. «So etwas darf nicht sein. Es sollten nicht mehr als zwei Schüler in einer Familie untergebracht sein. Dabei muss gewährleistet sein, dass sie nicht dieselbe Muttersprache sprechen.» Dass drei Schüler von einer anderen Organisation kamen, lässt er nicht als Entschuldigung gelten. «Die Organisatoren müssen vertraglich sicherstellen, dass eine Familie nicht mehr Studenten beherbergt.» Aber Zbinden weiss aus der täglichen Praxis: «99 Prozent der Beschwerden betreffen die Unterbringung.»
Viele Gastfamilien verfolgen rein finanzielle Ziele
16-Jährige sind hungrig. Doch Thomas Müller und die anderen Schüler wurden bei ihren Gasteltern knapp gehalten: «Zum Lunch gaben sie uns ein Sandwich und ein wenig Orangensaft mit - das reichte einfach nicht bis am Abend. Wir mussten uns zwischendurch auf eigene Rechnung verpflegen.» Dennoch wirft Müller der britischen Familie nichts vor: «Sie erhalten pro Schüler und Tag gerade mal 23 Franken. Bei den Preisen in England ist es schwierig, mit diesem Geld jemanden ausreichend zu verpflegen.»
EF zeigt wenig Verständnis für solche Klagen. Iris Hormann: «Wenn jemand mit der Unterbringung nicht zufrieden ist, hat er die Möglichkeit, die Gastfamilie zu wechseln.» Thomas Müller hat darauf verzichtet. Er wollte die Familie nicht vor den Kopf stossen.
EF zitiert auf ihrer Homepage Gasteltern, die Schüler beherbergen - «vor allem weil sie die Möglichkeit lieben, etwas über andere Länder und Kulturen zu erfahren». Philipp Zbinden hingegen spricht von Propaganda: «Viele Gastfamilien verfolgen rein finanzielle Ziele. Sie versuchen auf diese Art, irgendwie über die Runden zu kommen. Die Gasteltern schlafen bestimmt nicht in der Garage, weil sie es spannend finden, Schüler aus fremden Ländern zu beherbergen.»
Doch was kann man tun, um Enttäuschungen bei einem Sprachaufenthalt zu vermeiden?
Ein Wechsel sollte innerhalb eines Tages möglich sein
Zbinden empfiehlt, früh mit der Gastfamilie telefonisch Kontakt aufzunehmen, um Einzelheiten der Unterbringung zu klären. Wenn Schüler die Gastfamilie wechseln wollen, sollte dies laut Zbinden über die Verantwortlichen vor Ort innerhalb von 24 Stunden möglich sein: «Dieser Service stellt ein Gütesiegel dar.»
Béatrice Stucki, Geschäftsleiterin vom Dachverband zur Förderung von Jugendaustausch Intermundo, bedauert, dass es keine unabhängige Beratungsstelle gibt, die die Qualität der unzähligen Anbieter prüft. «Wir erarbeiten derzeit ein Qualitätslabel - das soll den Jugendlichen bei der Wahl der geeigneten Sprachreise helfen.»
Die wichtigsten Tipps
Sprachaufenthalte müssen nicht Glückssache sein. Folgende Tipps können vor bösen Überraschungen schützen:
- Prüfen Sie die Angebote und Unterlagen mehrerer Organisatoren.
- Nehmen Sie mit der Schule Kontakt auf und lassen Sie sich über die Art des Unterrichts und über die Ausbildung der Lehrer informieren.
- Fragen Sie nach allfälligen Nebenkosten für Schul-material und Ausflüge.
- Nehmen Sie frühzeitig Kontakt mit der Gastfamilie auf, um die Details der Unterbringung zu besprechen.
- Fragen Sie nach Anlaufstellen vor Ort für den Fall, dass es Probleme gibt.