Plötzlich hat sie das Gefühl, ihr Fuss werde eiskalt: So merkt Erika Höhn, wenn ein Migräne-Anfall naht. «Wenn ich dann nichts unternehme, geht es mir zwanzig Minuten später miserabel», sagt die 67-Jährige aus Hinwil im Zürcher Oberland.
Seit der Kindheit weiss sie, wie sich ein Anfall anfühlt. Es flimmert vor den Augen, sie sieht schwarze Flecken. «Beim Autofahren ist das brandgefährlich, da muss ich sofort anhalten.» Und natürlich sind da die Schmerzen. Unfassbar stark. Ein Gefühl, als würde gleich der Kopf zerspringen.
Dann ist alles zu viel. Jedes Licht verstärkt den Schmerz, jeder Ton. Schon nur die Augen zu bewegen, tut weh. Dazu muss sie fast immer erbrechen. «Ich hatte schon Phasen, in denen ich jede Woche drei, vier Anfälle hatte und mich übergeben musste.» Heute hat Erika Höhn immer Tabletten dabei. Wenn sie beim ersten Anzeichen gleich eine schluckt, kann sie den Anfall oft noch abwenden.
Hilfreiche Medikamente mit Nebenwirkungen
Nicht alle Migränemittel wirken gleich gut. Fachleute der amerikanischen Kopfwehgesellschaft haben jetzt 132 Studien ausgewertet. Demnach gibt es viele Medikamente, die gut nützen. Allerdings müssen Patienten fast bei allen mit Nebenwirkungen rechnen. Die Schweizerische Medikamenteninformationsstelle in Basel hat für den Gesundheitstipp den Nutzen der Wirkstoffe beurteilt.
Unter dem Strich schneidet der Wirkstoff Paracetamol am besten ab. Er gehört zur Gruppe der Schmerzmittel und ist zum Beispiel in Acetalgin, Dafalgan oder Panadol enthalten. In einer Studie nahmen knapp 200 Migräne-Patienten jeweils 1 Gramm der Substanz – das entspricht zwei Tabletten aus der Apotheke. Ebenso viele nahmen ein Scheinmedikament.
Nach zwei Stunden war immerhin bei sechs von zehn Patienten, die das Medikament genommen hatten, der Kopfschmerz ganz verschwunden oder erträglich geworden. Der Vorteil von Paracetamol: Patienten vertragen es meist gut. Das Schmerzmittel Aspirin und andere Pillen mit Acetylsalicylsäure wirken zwar auch gut, doch sie verdünnen das Blut. Das erhöht das Risiko von gefährlichen Blutungen.
Bei Rheumamitteln kommen die Fachleute ebenfalls zum Schluss: Der Nutzen gegen Migräne ist gut belegt. Es gibt jedoch Risiken, wenn man sie häufig einnimmt. So belasten die Wirkstoffe Diclofenac und Ibuprofen das Herz (Gesundheitstipp 1/14).
Daneben gibt es Medikamente, die ausschliesslich gegen Migräne entwickelt worden sind, die sogenannten Triptane. Auch sie wirken gut, so die Fachleute. In Studien schnitten einige von ihnen gar etwas besser ab als die klassischen Schmerzmittel: Die Wirkstoffe Elitriptan und Rizatriptan bekämpften bei sieben von zehn Patienten den Kopfschmerz.
Doch dieser kleine Vorteil der Triptane hat einen Preis: Sie verursachen oft unangenehme Nebenwirkungen. Laut Peter Sandor, Migräne-Spezialist an der Reha-Clinic Baden, berichten Patienten oft von Müdigkeit oder einer etwas veränderten Wahrnehmung. Manche fühlten sich «irgendwie seltsam», wenn sie die Pillen schluckten. Viele könnten es nicht genau beschreiben, so Sandor. «Aber es ist klar: Man spürt das Medikament einfach.»
Und das behage vielen Betroffenen nicht. Die Mehrheit der Patienten wähle daher nicht das Medikament mit der besten Wirkung, so Sandor. «Es ist ihnen lieber, wenn man nichts spürt, ausser dass das Kopfweh weggeht.»
Schlecht schneidet der Wirkstoff Tramadol ab. Ärzte setzten ihn in Kombipräparaten auch gegen Migräne ein. Laut den Studien gibt es nur schwache Hinweise, dass er gegen Migräne nützt.
Merck Sharp & Dohme, Herstellerin des Migränemittels Maxalt, schreibt dem Gesundheitstipp, die Nebenwirkungen wie etwa Müdigkeit seien in der Patienteninfo beschrieben. Zu Voltaren schreibt Herstellerin Novartis, der Nutzen überwiege «weiterhin» die Risiken. Sie räumt aber ein: «Voltaren sollten Patienten mit Herzrisiko mit Vorsicht einsetzen.» Ähnlich argumentiert auch Mepha, Herstellerin von Irfen, ergänzt aber: Es lägen ihr keine Belege vor, dass die Einnahme von Irfen «an ein paar wenigen Tagen pro Monat» das Herzrisiko erhöhe. Naproxen-Herstellerin Roche sagt, das Medikament sei nicht zugelassen gegen Migräne.
Stabiler Tagesablauf hilft gegen Attacken
Erika Höhn hatte seit Weihnachten keinen Migräne-Anfall mehr. «Im Moment geht es mir gut», freut sie sich. Das verdanke sie den Medikamenten. Mit einem Migränemittel könne sie einen Anfall meist verhindern. Zudem nimmt sie täglich eine Tablette Topiramat – eigentlich ein Medikament gegen Epilepsie. Ärzte verschreiben solche Pillen, um Migräne-Attacken vorzubeugen.
Betroffene können viel dazu beitragen, dass die Anfälle nicht mehr oder nur noch selten kommen. Wichtig ist ein stabiler Tagesablauf. So hilft es, jeden Tag zur selben Zeit ins Bett zu gehen und zur selben Zeit aufzustehen, auch am Wochenende.
Die Mahlzeiten sollte man zudem immer etwa zur gleichen Zeit einnehmen. Weitere Tipps finden sich im Migräne-Merkblatt des Gesundheitstipp.