«Ich sah aus wie der Osterhase»
Schon 29-mal war Margrit Joss beim Zahnarzt: Doch ihr Gebiss sitzt noch immer nicht richtig. Und jetzt reagiert der Zahnarzt nicht mehr.
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Gesundheitstipp 3/2006
15.03.2006
Christian Egg
Eigentlich ist Margrit Joss ein fröhlicher Mensch - wenn nur das Gebiss nicht wäre. «Manchmal», sagt die 76-Jährige, «verzweifle ich deswegen fast.»
Alles beginnt vor zwei Jahren. Das Gebiss, das Margrit Joss seit Jahren trägt, wackelt. Deshalb beschliesst sie, ein neues anfertigen zu lassen. Sie geht zum Zahnarzt Wolfgang Prinz in Volketswil ZH. «Er war mir empfohlen worden, und ich hatte ihn auch schon in einer Fernsehsendung gesehen. Deshalb dachte ich, er sei eine Kap...
Eigentlich ist Margrit Joss ein fröhlicher Mensch - wenn nur das Gebiss nicht wäre. «Manchmal», sagt die 76-Jährige, «verzweifle ich deswegen fast.»
Alles beginnt vor zwei Jahren. Das Gebiss, das Margrit Joss seit Jahren trägt, wackelt. Deshalb beschliesst sie, ein neues anfertigen zu lassen. Sie geht zum Zahnarzt Wolfgang Prinz in Volketswil ZH. «Er war mir empfohlen worden, und ich hatte ihn auch schon in einer Fernsehsendung gesehen. Deshalb dachte ich, er sei eine Kapazität.»
Prinz bohrt eine Titanschraube in den Kieferknochen. Aus dieser ragt ein Stift, der später das Gebiss fixieren soll. Doch als Margrit Joss das Gebiss bekommt, passt es nicht. Immer wieder löst sich der obere Teil vom Gaumen. «Einmal fiel es mir sogar beim Tanzen aus dem Mund», sagt Margrit Joss. «Ich habe mich furchtbar geschämt.»
Zahnarzt vergisst, den Stift wieder einzusetzen
Prinz füllt den Hohlraum zwischen Gebiss und Gaumen mit Kunststoff - die erste Reparatur von vielen. Dazu muss der Zahnarzt den Stift aus der Kieferschraube entfernen. Am Abend merkt die Patientin, dass der Zahnarzt vergessen hat, ihn wieder einzusetzen. Erst zwei Tage später kann sie in die Praxis. Zu spät: Die Öffnung für den Stift ist bereits zugewachsen. «Wieder eine Spritze, wieder eine Operation, wieder Schmerzen», erzählt Margrit Joss. «Ich war den Tränen nah.» Kosten für die Korrektur: 600 Franken.
Und das Gebiss passt immer noch nicht. Wieder geht sie zu Wolfgang Prinz, der seine Praxis mittlerweile nach Zürich verlegt hat - es ist unterdessen die neunzehnte Konsultation. Nun beschuldigt Prinz das Labor, bei dem er das Gebiss in Auftrag gab: «Er sagte mir, das Gebiss sei totaler Pfusch», erinnert sich Margrit Joss. Er kläre ab, was zu tun sei, und werde ihr wieder Bescheid geben.
Wieder ein neues Gebiss - und es passt wieder nicht
Doch er meldet sich nicht mehr. Schliesslich platzt Joss der Kragen, sie wendet sich an den Kantonszahnarzt. Dieser schlägt ihr eine Streitschlichtung vor. Eine Briefkopie geht an Prinz. Er reagiert prompt und lässt kostenlos ein neues Gebiss herstellen.
Doch als sie dieses Gebiss in Empfang nimmt, ist die Enttäuschung gross: Die oberen Zähne stehen viel zu weit vor. «Ich war total entstellt», sagt Joss. Sie traut sich kaum mehr auf die Strasse. «Eine Bekannte sagte zu mir: "Du siehst ja aus wie der Osterhase!"»
Auch dieses Gebiss muss Prinz korrigieren. Danach stehen die Zähne zwar weniger vor - aber jetzt passen die beiden Hälften nicht mehr aufeinander. «Ständig beisse ich mir auf die Zunge, die Lippen oder in die Wange», sagt die Patientin.
Dies erstaunt den Zahnprothetiker, der Margrit Joss daraufhin untersucht, keineswegs. Der Fachmann will nicht namentlich genannt werden. Doch sein Urteil ist vernichtend: «Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich sagen, dieses Gebiss gehört jemand anderem.» Es entspreche nicht den Regeln der Kunst, und man könne es auch nicht mehr reparieren: «Man müsste von Grund auf neu anfangen.»
Der obere Teil brach entzwei - beim Weggli-Essen
Mitte November hat Margrit Joss Wolfgang Prinz den Befund des Zahnprothetikers mitgeteilt und ihn um eine Stellungnahme gebeten. Bis heute kam keine Antwort. Eine Frechheit, findet sie.
Eine Behandlung wie die von Margrit Joss braucht normalerweise etwa zehn Sitzungen beim Zahnarzt. Dies sagt Jakob Roethlisberger, «Sprechstunde»-Zahnarzt beim Gesundheitstipp. Bei Margrit Joss waren es bisher 29. Dazu kommen 8 Termine bei einem Zahnprothetiker. Gekostet hat sie all dies über 9000 Franken - bei einer Rente von 2400 Franken monatlich.
Unterdessen bereut Margrit Joss, dass sie so lange zu Prinz ging, anstatt den Zahnarzt zu wechseln. «Ich sagte mir, jeder verdient die Chance, einen Fehler wieder gutzumachen. Aber jetzt komme ich mir betrogen vor.»
Wolfgang Prinz nimmt zu den Vorwürfen nicht im Einzelnen Stellung. Er schreibt dem Gesundheitstipp bloss: «Ich weise diese Darstellung vollumfänglich zurück. Sie ist nicht korrekt.»
Margrit Joss aber hat weiterhin Ärger mit ihrem Gebiss. Denn kürzlich brach der obere Teil auseinander, als sie zum Frühstück ein Weggli ass. Sie musste das Gebiss für 150 Franken reparieren lassen. Nun will sie noch einmal den Kantonszahnarzt anrufen. Und diesmal will sie sich von Prinz nicht mehr vertrösten lassen.
Streit mit dem Zahnarzt: So wehren Sie sich
- Verlangen Sie bei Eingriffen, die über 1000 Franken kosten, einen schriftlichen Kostenvoranschlag.
- Bei grösseren Behandlungen sollte der Kostenvoranschlag mehrere Varianten umfassen.
- Holen Sie vor grösseren Behandlungen eine Zweitmeinung ein. Nehmen Sie dazu die Röntgenbilder mit.
- Bezahlen Sie die Behandlung erst, wenn Sie damit zufrieden sind.
- Wenn Sie sich mit dem Zahnarzt nicht einigen können, verlangen Sie beim Kantonszahnarzt eine Streitschlichtung. Sie ist für Patienten kostenlos.
- Auch die Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft SSO unterhält in den meisten Kantonen eine Schlichtungsstelle. Die Kosten schwanken je nach Kanton. Adressen und Infos unter www.sso.ch oder über Tel. 031 310 20 80.
- Bei Konflikten können Sie sich zudem an folgende Organisationen wenden: Schweizerische Patientenorganisation, Tel. 0900 56 70 47 (Fr. 2.13/Min.) oder Dachverband Schweizerischer Patientenstellen, Tel. 0900 104 123 (Fr. 2.-/Min.)