Es ist Mittagszeit. Die Büros, Geschäfte und Schulen sind leer. Rund um den Zürcher Bucheggplatz sind die Leute beim Mittagessen. Auch Martina Böni scheint ganz entspannt dazusitzen, sie bewegt sich kaum. Doch plötzlich beginnen ihre Oberschenkel ein wenig zu zittern. Denn die 25-jährige Ingenieurin sitzt nicht auf einem Stuhl vor dem Mittagsmenü, sondern lehnt an einer Wand und verharrt mit angespannter Oberschenkel- und Gesässmuskulatur in dieser Position.
Böni macht gerade isometrisches Krafttraining. Dabei trainiert sie ihre Muskeln, ohne deren Länge zu verändern, wie das zum Beispiel beim Gewichtestemmen passiert. Sie spannt die Muskeln nur an. Das sieht zwar unspektakulär aus. Doch wer es regelmässig macht, hat schon nach wenigen Wochen eine stärkere Muskulatur – ohne in ein Fitnesscenter gehen zu müssen. Anders als beim Gerätetraining im Fitnessraum stärkt man dabei die Muskeln, vergrössert sie aber nicht. Das verbessert die Kraftausdauer. Niklaus Jud, Fitnessberater aus Bern: «Eine Velofahrerin muss dann in einer Steigung nicht nach der halben Strecke absteigen, sondern fährt bis oben.»
Die Übungen sind ein gutes Ergänzungstraining für Freizeitsportler, die im Frühling zum Beispiel wieder mit Joggen beginnen. Vorteil: Weil man keine Muskelmasse aufbaut, wird man nicht schwerer, kann aber länger rennen. Gleichzeitig sind die Übungen auch geeignet für Sporteinsteiger oder Personen, die verletzt waren. Niklaus Jud: «Die Kraft wird langsam und schonend aufgebaut.» Und Ingo Froböse, Professor für Sportwissenschaft an der Deutschen Sportschule in Köln, sagt: «Diese Art von Krafttraining stammt ursprünglich aus der Rehabilitation. Es diente etwa dazu, die Armmuskeln unter dem Gips anzuspannen.»
Weiterer Vorteil: Das Risiko für Verletzungen ist klein. Die Übungen sind technisch wenig anspruchsvoll, weil man keine komplizierten Bewegungsabläufe koordinieren muss. Jud sagt: «Die Gefahr, dass jemand die Muskeln falsch belastet, ist gering.» Man braucht auch keine Gewichte – und wenn doch, sind es alltägliche Gebrauchsgegenstände wie Petflaschen.
An zwei Tagen pro Woche trainieren
Wie lange man die Übungen jeweils macht, hängt vom persönlichen Fitnessstand ab. Niklaus Jud empfiehlt für Anfänger 30 Sekunden, für Fortgeschrittene 45 Sekunden und für Profis 60 Sekunden. Wer nach der ersten Runde noch nicht ausgelastet ist, wiederholt die Übungen. Man sollte aber nicht übertreiben. Jud: «Am besten trainiert man an mindestens zwei Tagen pro Woche.» Wer mehr trainieren wolle, schalte am besten nach jedem Training einen Ruhetag ein oder mache eine andere Sportart.
Regelmässiges isometrisches Training verbessere auch die Körperhaltung im Alltag, ist Niklaus Jud überzeugt: «Menschen, die im Büro arbeiten, ziehen vor dem Computer oft die Schultern hoch und machen einen krummen Rücken.» Mit den Übungen lerne man, darauf zu achten, dass der Rücken gestreckt und zwischen Schultern und Ohren eine möglichst grosse Distanz sei. Das Resultat: «Nackenverspannungen und Rückenprobleme verschwinden.»
Der Gesundheitstipp hat mit dem Fitnessberater zehn Übungen zusammengestellt, die Martina Böni vorzeigt und die man zu Hause leicht durchführen kann.
Zwei Beispiele: Die Übung mit dem Namen «Wandsitz» stärkt die Oberschenkel und das Gesäss. Es ist dabei in der Luft, den Oberkörper drückt Böni gerade gegen die Wand. Die Oberschenkel sind in einem 90-Grad-Winkel zu den Unterschenkeln, die Beine hüftbreit und die Arme hält sie nach unten.
Die Übung «Seitneige» ist gut für die seitliche Bauchmuskulatur und die Schultern. Martina Böni legt sich seitlich auf den Boden. Ihre Beine sind leicht gespreizt, das untere zeigt nach hinten, das obere nach vorne. Böni hebt die Hüfte nach oben. Ein letztes Mal spannt sie für 30 Sekunden den ganzen Körper an. Dann lässt sie los. Für einen kurzen Moment sitzt sie da. «Das war jetzt doch anstrengender, als ich am Anfang gedacht habe», sagt sie. Obwohl sie viel Sport macht – Yoga und den brasilianischen Kampftanz Capoeira –, spüre sie nun ein Kribbeln in den Muskeln. «Ein gutes Gefühl.» Jetzt kann auch sie endlich zum Mittagessen gehen.
Gratis-Merkblatt: So halten Sie sich in Form
Die Anleitung zu den zehn Übungen können Sie herunterladen unter Gesundheitstipp.ch oder bestellen gegen ein frankiertes und adressiertes C5-Antwortcouvert bei:
Gesundheitstipp,
«Isometrisches Training»,
Postfach 277,
8024 Zürich.
Fitnesstipps: So trainieren Sie richtig
- Machen Sie die Übungen auf weicher, rutschfester Unterlage – auch wenn Sie draussen trainieren.
- Tragen Sie bequeme Kleider (Gymnastikhose und T-Shirt).
- Ziehen Sie Turnschuhe an.
- Beim Training sollte in der Nähe eine Wand oder ein Baum sein, woran Sie sich anlehnen können.
- Atmen Sie regelmässig.
- Wenn Sie unsicher sind, ob das isometrische Training für Sie geeignet ist: Fragen Sie Ihren Hausarzt.
- Machen Sie die Übungen maximal jeden zweiten Tag.